Nordseebad
Sanct-Peter u. Ording
nebst
Übersicht über die Wirkung
und Gebrauchsweise der Nordseebäder
Von
Dr. Scheby-Buch
Hamburg (Ochsenwärder).
OCR-Scan der Originalausgabe von 1895. Digitalisiert und layoutet von Frauke Petersen: Unser Haus wurde 1870 erbaut und in der Zeit, die in diesem Buch beschrieben wird, von meinem Urgroßvater erworben. |
Inhaltsverzeichnis.
Der Badeort Sanct-Peter
Hotels daselbst
Ording als Badeort
Ausflüge zur See (Westerhever, Halligen)
Ausflüge zu Land (Süderhöft, Tating)
Der Störfang
Die Seehundsjagd
Meeresbewohner und Seevögel
Was man am Sankt-Peter Strand findet.
Reisenotizen
Übersicht über die Wirkung und Gebrauchsweise der Nordseebäder
Seeklima und Seeluft
Seebäder, kalte
Seebäder, warme
Heilwirkung bei chronischen Krankheiten
Baderegeln
Temperaturtabellen von Ording
Mein Auge war aufs hohe Meer gezogen;
Es schwoll empor, sich in sich selbst zu türmen,
Dann ließ es nach und schüttete die Wogen,
Des flachen Ufers Breite zu bestürmen.
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Die Woge stand und rollte dann zurück,
Entfernte sich vom stolz erreichten Ziel;
Die Stunde kommt, sie wiederholt das Spiel.
(Goethe, Faust, 2. Teil.)
Als ich im Jahre 1886 in der »Allgemeinen med. Central-Zeitung« zum ersten Male die Aufmerksamkeit der Ärzte auf das Nordseebad Sanct-Peter lenkte, war dasselbe noch sehr wenig bekannt. Dieser Aufsatz fand eine günstige Aufnahme, und es gingen in Anlass desselben eine Menge Anfragen von Ärzten und Laien an mich ein. Es hatte sich eben das Bedürfnis herausgestellt, in unserer nervösen, haftenden Zeit ein Nordseebad zu besitzen, welches, fern von allem Geräusch des modernen Kulturlebens, dennoch alle Vorteile eines Nordseebades in hohem Maße in sich vereinte.
Die unvergleichliche Ruhe und Abgeschlossenheit dieses Bades trug dazu bei, vielen Leidenden die so teure Gesundheit zu erhalten und zu befestigen. Die Zahl der Erholungs¬bedürf¬tigen, die immer wieder die flutumbrandete Einsamkeit von Sanct-Peter aufsuchte, stieg langsam und stetig. Es bildete sich sozusagen ein Stammpublikum heran, welches den« Kern der Kurgäste bildete und die Zahl derselben stetig vermehren half.
In der That, Sanct-Peter besitzt Naturvorteile die in ihrer Gesamtheit von keinem anderen Nordseebade übertroffen werden. Man wolle hier folgendes berücksichtigen: Sanct-Peter ist das einzige Küstenbad, welches durch seine Lage am offenen Meere den Namen eines Nordseebades verdient. Es steht in dieser Beziehung keinem der großen holländischen und belgischen Küstenbäder, wie Scheveningen Vlissingen und Blankenberge nach. Büsum in Dithmarschen im Wattenmeer und Kuxhaven an der Elbmündung können nicht im Entferntesten den Wettbewerb mit Sanct-Peter antreten, und Friedrichs nennt jene nicht mit Unrecht: Sommerfrischen an der See. — Carl Berenberg in seinem sehr lesenswerten Buche: »Die Nordsee-Inseln 2c.,« 5. Auflage 1890, sagt Seite 254: »Darnach ist Sankt-Peter wegen der Lage am offenen Meere für größeren Fremdenbesuch sehr geeignet, weil es ähnliche Bedingungen für die Seebade-Anstalt besitzt, wie die holländischen und belgischen Seebäder. Büsum mit dem Bade im Watt und Dangast im Jadebusen können nur einfachen Ansprüchen an ein Seebad genügen.«
Sanct-Peter liegt inmitten der westlichen Küste der weit in die Nordsee vorgeschobenen Halbinsel Eiderstedt in der Provinz Schleswig. Diese Halbinsel hat drei Meilen Längenausdehnung und mißt von Süden nach Norden eineinhalb Meilen im Durchschnitt. In der Breite von Sanct-Peter ist die letztere Entfernung durch die tief einschneidende Bucht bei Ording auf kaum eine Meile herabgesetzt. Hierdurch wird erreicht, daß Sanct-Peter auf drei Seiten, im Umkreise einer Meile, von der freien Nordsee umgeben ist, welches fast einer insularen Lage gleichkommt und als außerordentlich günstig auch deshalb bezeichnet werden muß, da die See Sanct-Peter in westlicher, nordwestlicher und südwestlicher Richtung umgibt, welches zugleich die herrschende Windrichtung in der Badesaison bezeichnet. Da auch im Norden und Süden die freie See brandet, wehen fast beständig in dieser Zeit über Sanct-Peter die feuchten, warmen und, durch die vielen starken, wasserzerstäubenden Brandungen der umliegenden Sandbänke, salzgeschwängerten Seewinde. Als Luftkurort wird daher Sanct-Peter, verglichen mit den nächstgelegenen Nordseebädern, nur von Helgoland und Sylt übertroffen, von Wyk, Büsum und Kuxhaven nicht erreicht und selbst von Amrum nur teilweise überholt.
Bei der Beurteilung eines Nordseebades mache man sich klar, daß die Kurorte möglichst westwärts und möglichst nahe dem Strande der betreffenden Insel oder Halbinsel liegen müssen, da« wir in der Kurzeit fast ausschließlich mit westlichen Winden zu rechnen haben und diese nicht erst Land und besonders nicht Dünen passieren dürfen, damit die Seewinde nichts von ihrer Reinheit einbüßen. Dieses ist in Sylt, aber auch in Sanct-Peter der Fall. In Amrum jedoch liegen mehrere Gasthöfe an der südöstlichen Spitze - Wittdün genannt - im Wattenmeere, und bei westlichen und nordwestlichen Winden müssen diese die ganze Insel mit der Dünenseite passieren, wodurch besonders leicht der lose Dünensand mitgeführt wird. Am günstigsten liegt auf Amrum das Hospiz bei Norddorf, während die Lage des Kurhotels an der 29 Meter hohen Satteldüne keineswegs zu loben ist. Die Hotels sollen möglichst niedrig und möglichst nahe dem Strande liegen, weil der, durch die Brandungen der Luft beigemischte, Salzgehalt vermöge der Schwere der salzgeschwängerten Luft, selbst bei frischem Winde, nicht sehr hoch und nicht sehr weit vom Strande sich geltend macht. Auch in dieser Beziehung liegen die Hotels von Sanct-Peter sehr günstig, da sie alle am Strande und westwärts der Dünen liegen, so daß sie die salzige Seeluft stets aus erster Hand haben, was man von Wittdün und Wyk nicht sagen kann.
Die insulare Lage allein macht es also auch nicht aus, wie viele Schriftsteller, die über Nordseebäder schreiben, zu glauben scheinen, sondern es kommt sehr wesentlich auch auf die Lage der Hotels auf der Insel an. Föhr ist beispielsweise ebenso groß und größer als die Halbinsel Utholm in Eiderstedt, auf welcher Sanct-Peter liegt, und da Wyk ostwärts der Insel liegt, kann die Luft bei West- und Nordwestwind kaum besser sein als vielleicht in Garding, mitten in der Landschaft Eiderstedt da sie dann kaum soviel Land passiert, wie bei Wyk auf der Insel Föhr. Wir schreiben aber gerade dem mechanisch beigemengten Salzgehalte der Luft eine große Bedeutung für Heilzwe-cke, besonders bei Lungenkranken zu, worauf wir später zurückzukommen Gelegenheit haben werden.
Der Lage nach müßte Sanct-Peter einen ebenso starken Wellenschlag wie Sylt besitzen, wenn nicht, im Gegensatz zu letzterem, ein flacher, ebener, weitvorgeschobener Strand denselben milderte. Der letztere wird bei Ebbe völlig freigelegt, und es wird im Gegensatz zu Sylt daher nur bei, mit der Zeit wechselndem Hochwasser gebadet und zwar mittelst Badekarren, die mit Pferden ins Wasser gezogen werden. Der Wellenschlag ist schwächer als auf Sylt, jedoch erheblich stärker als auf Wyk, Büsum, Kuxhaven und Wittdün. Selbst auf Amrum am Strande der Satteldüne, woselbst sich das Kurhotel befindet, und auf Helgoland ist derselbe nicht viel stärker. Auf letzterer wird ja bekanntlich nicht auf der Insel selbst, sondern auf der ostwärts gelegenen Düne gebadet, wodurch bei den vorherrschenden Westwinden die Brandung von den windwärts gelegenen Klippen aufgefangen wird. In Amrum mildert der breite Vorstrand, Kniepsand den Wellenschlag bedeutend, während derselbe bei Norddorf, woselbst das Hospiz gelegen, wegen der geringeren Breite des Vorstrandes stärker ist.
Dieser mittelstarke Wellenschlag in Sanct-Peter ist meiner Meinung nach einer der größten Vorzüge dieses Badeortes, indem dieses hierdurch zum Familienbade par excellence wird. In Sylt ist für Kinder, Damen und schwächere Herren der Wellenschlag zu stark, in Wyk für Herren zu schwach. In Sanct-Peter habe ich Kinder mit dem größten Erfolge baden sehen, und für Herren ist der Wellenschlag, wie ich mich selbst überzeugt habe, bei den vorherrschenden Westwinden völlig stark genug, um eine sehr kräftige Wirkung zu erzielen. Ein weiterer Vorzug ist der, daß der Wellenschlag an dem weitgestreckten Badestrande Sanct-Peters von verschiedener Stärke ist. Herren können sich Stellen mit stärkerem, Frauen und Kinder· mit schwächerem Wellenschlage aussuchen, indem die sehr gefälligen Badewirte solchen Wünschen gern nach Möglichkeit nachkommen, und der völlig feste, glatte Strand das Fahren mit den Badekarren überall gestattet.
Der Badestrand ist völlig frei von Schlick und Untiefen, vorzüglich, sowohl bei Ebbe wie bei Flut, zu Spaziergängen geeignet und wird in seiner Güte von keinem Nordseebade, selbst nicht von Norderney übertroffen. Derselbe erstreckt sich von Ording bis Süderhöft in der Ausdehnung einer geographischen Meile und ist so breit, daß er auch bei Flut begangen werden kann, abgesehen von ganz besonders hohem Wasserstande, der in der Badesaison nur wenig vorkommt. Dies ist ein Vorteil, der nicht bei allen Nordseebädern vorhanden ist, und gerade bei der Flut, wenn die Wellen einem zu Füßen branden und die fein zerstäubten, salzigen Wasserteilchen sich durch den bei der Flut stets auffrischenden Wind »der Luft beimengen, ist ein Spaziergang am Strande ebenso lohnend wie gesundheitsbefördernd. Dieser unübertroffene, feste, breite und eine Meile lange Strand ist der Stolz Sanct-Peters und hebt es ebenbürtig in die Reihe der ersten Nordseebäder.
Nicht minder trägt hierzu die großartige Dünenlandschaft bei, die an malerischer Schönheit und weitem Fernblick derjenigen Sylts und Amrums wenig nachgibt. Die Dünen, die sich bis zu einer Höhe von 14 Metern erheben, erstrecken sich von Ording bis Sanct-Peter von Nord nach Südost in der Länge von einer halben Meile und einer Breitenausdehnung von 3—600 Metern zu Osten der Badehotels Sie haben den großen gesundheitlichen Vorteil, daß sie vor den scharfen, kalten Ostwinden, selten wie sie allerdings zur Zeit der Badesaison auftreten, Schutz gewähren. Von den Dünen bei Ording hat man bei klarem Wetter einen wunderbaren Rundblick. Seewärts im Wattenmeer sieht man mit bloßem Auge die Halligen Süderoog, Südfall und die Inseln Pellworm und Nordstrand. Vor sich hat man die prächtige Brandung der vorliegenden Sandbänke, zur Linken die großartige Dünenlandschaft und hinter sich erblickt man die fruchtbare Marschlandschaft Eiderstedt bis nach Garding, ja selbst bis nach Tönning. Die grünen Weiden mit dem grasenden Fettvieh, dazwischen gestreut die weißen, stattlichen Gehöfte, mit einem Baumgürtel umgeben und in der Ferne die stattlichen Dörfer und Städte mit ihren schlanken Kirchturmspitzen gewähren in der That einen überraschenden Gegensatz zu dem Fernblick über die einsame See mit der nimmerruhenden Brandung zu unseren Füßen. Diese Aussicht von den Ordinger Dünen bildet den Glanzpunkt der Sanct-Peter Dünenlandschaft, und wenige Nordseebäder nur können sich einer gleich prächtigen Rundsicht rühmen.
Die Badehotels Sanct-Peters liegen zwischen Vordünen und Dünen, in nur geringer Entfernung vom Strande; am nächsten desselben das Hotel von Matthiesen und das neuerbaute Hotel (Pächter Paulsen & Mahlcke), dann folgen die Hotels von Jensen und Fräulein Zapp. Die Hotels liegen einsam inmitten der Dünenlandschaft, fast gleichweit (eine halbe Stunde) vom Kirchdorfe Sanct-Peter und vom Stranddorfe Ording entfernt. Diese einsame Lage der Hotels macht zu Anfang auf die ankommenden Badegäste einen etwas trostlosen Eindruck, allein es dauert nicht lange, und diese weltabgelegene Lage bildet das Fesselnde, welches die erholungsbedürftigen Badegäste, die einmal Sanct-Peter besucht haben, immer wieder zu diesem stillen und stärkenden Bade hinzieht. Ganz treffend ist in dieser Hinsicht der folgende kleine Vers (Verfasser Dr. Schaumann, Hamburg):
Wer ankommt, ruft: »Wie schrecklich!« —
Wer bleibt, bald: ,,Ach wie schön!«
Wer fortgeht, spricht: ,,Ach daß ich
Muß schon von hinnen gehn!«
Das ist das Thermometer
Vom Nordseebad Sanct-Peter.
In der That, gerade diese freie, gesundheitliche Lage Sanct-Peters, ohne den Trubel des modernen Badelebens, macht dieses Nordseebad den Ärzten so wert. Kein anderes Nordseebad ist so sehr geeignet, auf die, von der Großstadtluft angekränkelten, Ankömmlinge, deren Nerven durch die aufreibende Berufsthätigkeit gelitten, so heilsam und beruhigend zu wirken, wie das stille und einsam an den Dünen liegende Nordseebad Sanct-Peter!
Die Anfänge des Seebades Sanct-Peter datieren von Ende der vierziger Jahre. Damals wurden in Ording, bei Norderhöft, dort, wo die See dicht an den Deich herangeht, im Norden von den jetzigen Badehotels, diese ersten Anfänge, freilich mit einem vorläufigen Mißerfolge gemacht. An diesem war entschieden die Wahl des Ortes am meisten Schuld, indem die Lage der jetzigen Badehotels viel besser gewählt ist. Feddersen in seiner Beschreibung der Landschaft Eiderstedt, schreibt hierüber folgendes: »Vor einigen Jahre (Das Buch ist vom Jahre 1853) hatte es auch den Anschein, als ob ein Badeort da aufsteigen würde. Einige Badekarren wurden veranstaltet, auch vom Lehnsmann Stöhrmann ein Zelthaus zur Wirtschaft gebaut, einige Häuser in der Nahe richteten sich auf Gäste ein, Anna Jarrens wurde als Wirtin eine bekannte Person. Aber der Weg von Garding dahin war doch zu lang, zu öde; auf die passende Flut mußte zu sehr geachtet werden, welches für die Fernen große Unbequemlichkeit hatte; zum Spazierengehen nach dem Baden war nur das schlichte Ufer und ein Platz, der zwischen Deichshöhen ein kleines Thal bildet, geeignet. Daher war die Zahl der Badenden gering, und nur an etlichen Sonntagen sammelte sich hier alles, was eine Fahrt zustande bringen konnte, um sich im Zelthause, wo auch Musik ertönte, und auf dem Deich und Ufer zu vergnügen. Übrigens wurde des Wassers Kräftigkeit und der Wellenschlag des Bades heilsame Wirkung auf Nervenschwache und Gichtische sehr gerühmt, und reichten die Chausseen bis hier (dieselben gehen jetzt bis zum Kirchdorfe Sanct-Peter), und fände sich ein unternehmender Mann für die nötigen Bauten und Anstalten und Anlagen, so könnte ein Bad auch für Fremde hier eingerichtet werden. Wie ein Traum ist jene Badezeit vorrübergegangen.« So der ehrwürdige Pastor Feddersen seiner Beschreibung Eiderstedts. Bei dieser Gelegenheit bemerkt derselbe ferner in seiner treuherzigen Art: »Wenn man der Schilderung, welche Volkmar von den Strandsünden, wenn ich so sagen soll, entwirft, glauben müßte, so würde das auf Sanct-Peter zunächst zu beziehen sein, aber es ist lange nicht so arg, als da geschildert ist, und jetzt noch weniger, als früher, wie das schon bemerkt wurde. Überhaupt steht Sanct-Peter an Sittlichkeit den andern Kirchspielen nicht nach. Im ganzen herrscht hier und in Ording noch die alte Einfachheit der Sitten.« Auch wir haben die Strandsünden lange nicht so schlimm befunden, wie sie der alte Volkmar geschildert haben mag!
Im Jahre 1876 gründete Herr P. W. Jens in Ording zusammen mit Herrn Jensen von neuem ein Seebad in Ording da man im Laufe der Jahre allgemein bedauerte, diesen beliebten Ausflugsort verloren zu haben. In nächster Nähe der Dünen und des Strandes wurde ein hölzernes Zelt erbaut und einige Badezelte am Strande errichtet. Bald war das alte Leben wieder in Ording eingekehrt, und öfter waren dort an 50 —60 Wagen aus der ganzen Landschaft anzutreffen.
Im Jahre 1877 nun, nachdem sich der von Feddersen geforderte unternehmende Mann in der Person des Gastwirts Jensen im Kirchdorfe Sanct-Peter gefunden, wurde das erste und auch jetzt noch größte Badehotel inmitten der Dünenlandschaft dicht am Strande, auf einem erhöhten Punkte mit schöner Aussicht auf die See erbaut. Dasselbe wurde bis zum Jahre 1887 vom Pächter Matthiesen, dem jetzigen Inhaber von »Hotel Wilhelminenhöh,« verwaltet und ging im Jahre 1888 an den Sohn des Erbauers, Herrn A. Jensen, über. Da die rasch steigende Frequenz des kleinen Bades weitere Bauten nötig machte, so unternahm es ein Herr Hausen im Jahre 1884, nicht weit vom ersten Hotel, auf einem sehr gut gewählten freien Platze mit schöner Seeaussicht ein Logierhaus mit 16 Zimmern zu erbauen. Dasselbe macht mit seinen Verranden, welche an den Schweizerstil erinnern, einen sehr freundlichen Eindruck. Dieses Hotel ging im Jahre 1889 in die Hände der jetzigen Besitzerin, Frl. Zapp, über. Da auch dieses Hotel dem steigenden Badeverkehre nicht genügte, so unternahm es der Pächter Matthiesen im Jahre 1885, auf eigene Kosten ein neues Logierhaus, ,,Wilhelminenhöh,« zu erbauen, welches derselbe später durch Anbau vergrößerte und seit dem Jahre 1888 allein bewirtschaftet. Da das Bad Sanct-Peter sich immer mehr der Gunst des badebedürftigen Publikums erfreute und im Jahre 1891, trotz der ungünstigen Witterung, sämtliche Hotels in der Hochsaison voll besetzt waren und viele Badegäste wegen Überfüllung abgewiesen werden mußten, so wurde von den Herren Volquartz und Cl. Jeß in Garding im Spätsommer 1891 und Frühjahr 1892 ein neues Badehotel in gleicher Höhe mit »Wilhelminenhöh,« in den Vordünen dicht am Strande erbaut.
Zur Orientierung der Sanct-Peter besuchenwollenden Badegäste geben wir in folgendem noch eine kurze Übersicht über die Hotels, mit Angabe der vorhandenen Zimmer, etwaiger Warmbadeeinrichtung, der Preise 2c. Wir fügen hinzu, daß diese Notizen uns von den Badewirten selbst zugegangen sind, wir für etwa Nichtstimmendes daher keine Gewähr leisten.
Im allgemeinen gehört Sanct-Peter mit zu den billigsten Nordseebädern, welcher Umstand keineswegs gering anzuschlagen ist und bei der Wahl des aufzusuchenden Bades eine große Rolle spielt. Keine Kurtaxe, kein Toilettenaufwand findet hier statt, sehr einfaches, gemütliches, nicht konventionelles Zusammenleben. Kein Prunk, kein Geräusch des modernen Badelebens, ohne die ein großer Teil des Publikums nicht leben kann, stören die meerumbrandete Einsamkeit von Sanct-Peter.
»Strand-Hotel,« Inhaber Amandus Jensen seit 1888, ist bis zum 1. Oktober geöffnet. Dasselbe, ein großer, etwas eintöniger Bau mit nach Süden offener Veranda enthält 40 Logierzimmer, Speisesaal, Gesellschaftszimmer, Gastzimmer und Billard. Warme Seebäder im Hause. Pensionspreis per Tag für die Hochsaison 4,50 bis 6,- Mk. Vor- und Nachsaison 4,- bis 4,50 Mk. Kinder und größere Familien entsprechend billiger. Fünfzehn Badekarren stehen zur Verfügung.
»Hotel Wilhelminenhöh« das ganze Jahr geöffnet, enthält 24 Logierzimmer, hat große, geschlossene Veranda und Balkon, Speisesaal, Billard, Piano und neue Kegelbahn. Am Strande eine Strandhalle zum allgemeinen Gebrauch. Zehn Badekarren stehen zur Verfügung der Badegäste, und die Warmbadeanstalt im Hotel enthält eine Badewanne für Erwachsene und eine für Kinder, sowie Douche. Warme Seebäder 1,50 Mk. Seebäder in den Karren 0,50 Mk. Preise in der Hochsaison (1. Juli bis 15. August) für ein Zimmer und Bett mit voller Verpflegung 4 bis 6 Mk» Vor- und Nachsaison 4 bis I) Mk. Familien nach Übereinkunft billiger. In den letzten Jahren haben noch immer bis gegen Weihnachten einzelne Kurgäste, meist Kehlkopf- Nerven- und leichte Lungenleidende mit sehr gutem Erfolge dort logiert.
»Hotel Stadt Hamburg« früherer Besitzer Hausen, seit 1889 im Besitze von Frl. Zapp, enthält 16 Logierzimmer, Speisesaal, Kegelbahn, Piano, kein Billard. Hat offene Veranden nach Süden und Westen, fünf Badekarren und Warmbadeeinrichtung. Preise: Hochsaison (1. Juli bis 15. August) Zimmer, ein Bett und volle Verpflegung 4,50 bis 6 Mk., Kinder 2,50 bis 3 Mk. Nachsaison 4 Mk., Kinder 2 Mk.
Das neuerbaute »Hotel Sankt-Peter« ist mit allem Komfort der Neuzeit ausgestattet und liegt, mit »Wilhelminenhöh,« von allen Hotels am nächsten der See. Es enthält 30 hohe und freundliche Zimmer, sämtlich mit Seeaussicht einen geräumigen Speisesaal, Lesezimmer 2c. Warmbadeeinrichtung befindet sich im Hause. Es ist besonders Rücksicht genommen auf große, bequeme Betten. Der Pensionspreis betragt für ein Zimmer mit einem Bett 28 bis 42 Mk. per Woche. Für Familien entsprechend billiger. Vorläufig stehen acht Badekarren zur Verfügung.
In den letzten Jahren wird das kleine Stranddorf Ording mit Vorliebe von Badegästen aufgesucht. Dasselbe liegt eine halbe Stunde nördlich von Sanct-Peter am Ende der Dünenlandschaft geschützt hinter den Deichen und Dünen, die nach Norden und Westen in einem rechten Winkel dasselbe flankieren. In der That ist die Lage von Ording außerordentlich günstig. Die starken Seewinde, besonders aus Nordwest und Südwest, die in der Saison oft mitgroßer Heftigkeit einsetzen, machen den Aufenthalt in den Badehotels in Sanct-Peter manchen, zumal Kindern und Frauen und selbst schwächlichen Herren zeitweilig etwas ungemütlich. Diese können sich dann zeitweilig nicht im Freien ergehen und sind auf den Schutz der Hotels angewiesen. In Ording dagegen spaziert man hinter den schützenden Deichen und Dünen ganz gemütlich, ohne von der Heftigkeit der Winde etwas zu verspüren. Bei ruhigem Wetter besteigt man den Deich und »die Ordinger Dünen und hat die wundervollste Aussicht auf die See oder ergeht sich auf dem Strande nach Sanct-Peter zu, der von unübertroffener Güte ist.
Leider steht in Ording noch kein Hotel den Badegästen zur Verfügung. Man logiert entweder bei» dem Lehrer Herrn Cornils, (sechs Zimmer zu vermieten, Pension pr. Tag für die Hochsaison 3,50 bis 4,50 Mk. Vor- und Nachsaison 3 bis 3,50 Mk. Auch verabreicht derselbe warme Seebäder, 1,50 Mk. pr. Bad. Zwei feststehende Badebuden zur Verfügung. Beherbergt seit 1872 Badegäste), - oder in dem Dorfwirtshause bei Niß Cornils (fünf Zimmer, Preis 3 bis 3,50 Mk. für Hoch» Nach- und Vorsaison. Warmbäder nicht vorhanden. Zwei feststehende Badebuden zur Verfügung) Bei beiden ist man sehr gut aufgehoben.
Der Wellenschlag am Ordinger Strand ist allerdings, der vorlagernden Sandbänke wegen, sehr schwach und der Grund vielfach kleiig. Es sind ein paar feststehende Holzbuden vorhanden, in welchen auch gebadet wird. Diejenigen, welche nicht nur Luftkur nehmen wollen, sondern auch auf ein gutes Wellenbad Anspruch machen, thun besser, in Sanct-Peter Badekarren zu baden, für welche in den Hotels Karten (à 50 Pf.) ausgegeben werden.
Ein großer Vorteil für die Ordinger Badegäste ist es, daß nur von Ording aus Segeltouren unternommen werden können. Diese sind äußerst lohnend und nicht genug zu empfehlen. Meist wird nach der, kaum eine halbe Stunde von Ording entfernten, sogenannten Seehundsbank gesegelt. Es wird hier ausgestiegen, gejagt oder auf dem schönen, festen Sande, auf welchem seewärts die durch keine vorlagernden Bänke geschwächte volle Meeresbrandung dumpf herübertönt, gelustwandelt. Da diese Sandbank während der Badesaison fast nie ganz unter Wasser kommt, würde es sehr wohl möglich sein, hier Badekarren herzusetzen und einen Strandpavillon zu erbauen. Man müßte dann allerdings jedesmal zum Baden übersetzen, allein die Entfernung vom Ordinger Strand ist kaum so weit, wie Helgoland von der Düne, auf welcher ja auch gebadet wird. Ein kleines Petrolmotorboot mit drei bis vier Pferdekräften würde in dem durch die Sandbank geschützten ruhigen Fahrwasser die Badegäste in einer viertel Stunde hinüberbefördern. Dafür hätte man dann einen Wellenschlag, der dem Sylts völlig gleich zu setzen ist und den in Amrum übertrifft.
Ording erscheint, seiner geschützten Lage wegen, überhaupt wohl mit der Zeit berufen, eine führende Rolle als Nordseebad einzunehmen. In der That, würde ein zeitgemäßes Hotel dort errichtet und auf der nahen Sandbank Badevorrichtung hergestellt, dann vereinigte dieses kleine Stranddorf als Nordseebad eine Menge hygienischer Vorzüge in sich, die nicht leicht von einem andern übertroffen würden.
Die segeltourlustigen Badegäste wenden sich zumeist an Peter Fedders in Ording, dem Vormann der dortigen Rettungsstation. Derselbe ist ein sehr zuverlässiger Führer, dem man sich unbesorgt anvertrauen darf. Obschon ein einfacher Fischer, besitzt derselbe doch vielerlei Talente, die ihn zum bevorzugten Segelführer bei dem Badepublikum gemacht haben. Schweigsam und nachdenklich, trotz seiner Jugend, ein echter Friese, ist er gleich tüchtig als Seemann wie als Bootsbauer; er hat ohne Nachhilfe das Zitherspiel erlernt, und so kräftig die Finger auf der See das Steuerruder halten, so zart und geschickt handhaben dieselben die leicht verstimmbaren Saiten seines Instruments. In seinen Mußestunden studiert derselbe außerdem englisch und hat sich ein kleines meteorologisches Observatorium eingerichtet, macht täglich Temperatur-, Barometer- und Hygrometermessungen und Aufzeichnungen über Windrichtung und Windstärke. Von ihm sind die beigefügten, sehr zuverlässigen Temperaturtabellen. Das ist Peter Fedders, der Bootführer von Ording.
Sehr lohnend ist auch eine Segeltour über das Wattenmeer nach Westerhever, welches bei Hochflut und günstigem Winde in kaum einer Stunde zu erreichen ist. Man besucht dort den alten verwetterten sogenannten Störkönig von Westerhever, Ostermann, der in seiner einsamen Behausung dicht am Strande hinter dem Deiche, gern sich den Fremdenbesuch gefallen läßt. Er ist der erste, der in hiesiger Gegend die Störfischerei im größeren Maß betrieben hat, daher der Name »Störkönig.« Er soll das Jahr oft für 4000 Mk. Störe fangen. Auch ist er der erste, der die Jagd auf die früher hier sehr häufigen Seehunde betrieben hat. (Er hat auch meist Seehundsfelle zum Verkauf vorrätig, 4 bis 5 Mk. das Stück.) In jungen Jahren befuhr er die See in den nordischen Gewässern und erzählt gern von diesen seinen Reisen. Dann blitzt sein Auge wohl in jugendlichem Feuer auf, und über die wetterharten, gebräunten Züge fliegt ein glückliches Erinnern an jene ereignisvollen Jahre.
Ab und zu werden auch Segelpartien nach den Halligen Süderoog und Südfall, ja selbst bis nach Pellworm unternommen. Diese sind äußerst interessant, und was mehr ist, für diejenigen, welche seefest sind, sehr gesundheitsbefördernd. Man hat hier die reine Seeluft aus erster Hand und atmet den salzgeschwängerten Seegischt, der sich am Boot bricht, ununterbrochen ein. Einen Tag segeln ist mehr wie drei Tage Festlandleben an der See!
Einige Badegäste logieren auch im Kirchdorfe Sanct-Peter selbst, welches eine halbe Stunde von den Hotels entfernt ist. In den dortigen Wirtshäusern (vorzugsweise Jensen, dem Vater des Inhabers vom Badehotel) wird meist nur 3 Mk. für Pension per Tag gefordert. Diejenigen, welche baden, müssen allerdings sich den halbstündigen Weg nach den Badekarren der Hotels gefallen lassen, da im Kirchdorfe selbst, wegen der Abgelegenheit vom Strande, keine Badevorrichtungen bestehen. Vom gesundheitlichen Standpunkte können wir das Wohnen im Kirchdorfe nicht empfehlen. Es liegt zu weit ab vom Strande hinter den Dünen und Deichen und entbehrt daher des erfrischenden, salzgeschwängerten Seewindes, wie dies bei den Hotels und in Ording der Fall ist.
Ausflüge zu Land von den Badehotels sind zu Fuß und zu Wagen genugsam zu machen. Am lohnendsten und in gesundheitlicher Beziehung am meisten zu empfehlen ist der Spaziergang an dem schönen, festen Strand entlang, im Angesichte der ab- und zuflutenden See, nach Ording, welches man in einer halben Stunde erreicht. Fast jeden Nachmittag findet man hier Sanct-Peter Badegäste, welche die herrliche Aussicht von den Dünen genießen und in dem Dorfwirtshause von Niß Cornils, das bei denselben eines gewissen, wohlverdienten Rufes sich erfreut, verweilen und sich Erfrischungen geben lassen. Der Eiergrog und der Eierpfannkuchen bei »Mutter Cornils« sind viel begehrt, vorzüglich zubereitet und haben sich zu einer Art Ordinger Spezialität von Ruf herausgebildet.
Ein hübscher Spaziergang ist auch der nach dem Kirchdorfe Sanct-Peter, am Fuße der Dünen entlang und weiter nach Süderhöft, welches man in gut einer Stunde erreicht. Hier bildet das Haus des Vormanns der Rettungsstation El. Jacobs, in welchen auch Erfrischungen gereicht werden, einen gewissen Anziehungspunkt für Badegäste. Derselbe hat hier sein Haus mit aufgefischten Schiffstrümmern ganz originell dekoriert und sich im Garten eine kleine, sehr behagliche, offene, mit Muschelsand geebnete Halle erbaut, in welcher ein ausgestopfter junger Seehund, den er einst lebend gefangen, thront, und in welcher man sich das gute Kieler Export-Bier nach der weiten Tour munden läßt. Er hat auch an der einen Wand der Gartenhalle allerhand kleine Seltenheiten von Meeresbewohnern angenagelt, von denen er auch wohl einiges abläßt. - Eine unter den Badegästen sehr bekannte Persönlichkeit ist auch der alte Fischer Fedder Feddersen in Süderhöft. Ein gescheiter Kopf und ein Praktikus durch und durch ist dieser biedere Riese. U. a. ersann er Ende der sechziger Jahre ein Stellnetz für die Strandfischerei, das er selbst auf eigens konstruiertem Webstuhl aus verzinktem Draht herstellte. Ein Modell des Netzes und Webstuhles führte er auf Veranlassung der Regierung selbst auf der internationalen Fischereiausstellung in Berlin vor und erhielt als Anerkennung dafür einen silbernen Becher. Jetzt hat er sich ziemlich zur Ruhe gesetzt, im Winter aber fabrizieren noch seine geschickten Hände allerlei Schmucksachen aus Bernstein, die er im Sommer an die Badegäste verkauft, zu welchem Zweck er in Begleitung seines gelehrigen Hundes oft in den Hotels von Sanct-Peter erscheint. - Auch das stattliche Dorf Tating wird ab und zu, meist per Wagen, besucht.
Bis jetzt verbietet kein Gesetz die Jagd am Strande und zur See auf Seevögel und Seehunde, und von den Badegästen, berufenen und unberufenen, wird wacker darauf losgeknallt. Die interessanteste Jagd ist entschieden diejenige auf Seehunde. In früheren Jahren waren dieselben in dieser sandbankreichen Gegend sehr häufig. Jetzt, nachdem denselben fortwährend von Badegästen und einheimischen Seehundsjägern nachgestellt wird, sind sie weniger zahlreich, äußerst scheu und schwer zu beschleichen. Nur mit der größten Vorsicht und Ausdauer gelingt es zuweilen, einen Seehund in Schußweite zu bekommen und denselben zu erlegen. Er wird hier meist mit grobem Schrot Nr. 00, zuweilen mit Kugeln geschossen. Als einer der besten und sichersten Schützen Eiderstedts, der die Seehunde nur mit Kugeln erlegt, gilt der Landsmanns-Sohn Hartwig in Süderhöft, eine halbe Stunde vom Kirchdorfe Saum-Peter.
Wie bereits erwähnt, ist der alte Störkönig von Westerhever einer der ersten gewesen, der» die Jagd auf Seehunde hier zuerst im großen eingeführt und verwertet hat, da die Felle recht gesucht und gut bezahlt werden. Er zeigt noch eine lange, alte, doppelläufige Flinte mit Hahn und Zündhütchen womit er vordem die Seehunde erlegt und deren er sich noch zuweilen bedient. Dann reißt er wohl beim Erzählen im Jagdeifer die schwere Waffe an die Backe und meint, sowie die Seehunde auftauchen, in demselben Augenblicke auch schon müsse der Schuß fallen. Auf unsere verwunderte Frage, ob er denn nicht auch vorbeischösse, erwiderte er ruhig: »Selten, ganz selten!«
Vielfach werden auch zur Störzeit im Frühjahr die Seehunde in den starken Störnetzen lebend gefangen und durch einen Schlag auf die Schnauze getötet.
Da Sanct-Peter viel von eifrigen Jägern besucht wird, und für diese die Seehundsjagd immer das Interessanteste ist, und da es gewiß vielen angenehm sein wird zu erfahren, wie die Einheimischen die Seehunde erjagen, so haben wir Peter Fedders in Ording der gewöhnlich die Badegäste auf Seehundsjagd begleitet, veranlaßt, uns seine Erfahrungen hierüber mitzuteilen. Wir geben in folgendem wörtlich den Bericht wieder, den derselbe in Gemeinschaft mit Herrn Lehrer Cornils in Ording ausgearbeitet hat«. Zugleich ist in demselben eine kurze Schilderung der für diese Gegenden wichtigen Störfischerei enthalten.
Peter Fedders schreibt:
»Den Haupterwerbszweig für die Fischereibevölkerung bildet der Störfang, der von Mitte April bis Ende Juni an den Mündungen der Eider und Hever betrieben wird. Täglich fahren von Ording, auch vereinzelt von Süderhöft und dem nördlich gelegenen Westerhever etwa 60 Böte mit ihren, oft 300 m langen und 4—5 m breiten Netzen aus, um den oft scharenweise zum Laichen in die Flüsse hinaufziehenden Stören nachzustellen. Der Fang geschieht folgendermaßen: An Ort und Stelle angekommen, wird das Netz ins Meer ausgeworfen. Dasselbe hängt senkrecht fast bis auf den Grund und wird durch schwimmende Holzstücke (»Pimpel«) schwebend erhalten. Sobald ein Stör das Netz berührt, wird er unruhig, schlägt mit seinem Schwanze wild um sich und verwickelt sich auf diese Weise in den Maschen des starken Netzes. Sobald die Fischer dieses an der Bewegung der Holzstücke bemerken, eilen sie herbei und ziehen die willkommene Beute ins Boot. Die Größe eines Störs beträgt bis 3 ½ m, und erreicht derselbe ein Gewicht von 4 - 5 Zentner.
Außer dem Stör findet sich oft noch eine reiche Beute von Seetang, Algen und sonstigen Fischen im Netz» die den Fischern allerdings weniger willkommen sind. Neben einzelnen Seehunden finden sich oft große Mengen von Rochen, Haien und Delphinen, außerdem Seehasen, große Seekrebse und der merkwürdige lanzettförmige sogenannte »Windfisch,« den die Fischer trocknen und an einem Faden in ihrem Zimmer aufhängen; nach ihrer Behauptung soll er den Wechsel der Windrichtung schon vorher anzeigen. Da das Störfleisch und besonders der Kaviar gut bezahlt wird, (pr. 100 Mk roh Schlachtgewicht 45 Mk.), so verdient jedes Boot durchschnittlich 500 Mk., die 60 Boote zusammen etwa 30 000 Mk. Doch ist der Fang sehr von Glück abhängig, so daß einzelne Boote in der ganzen Zeit keinen einzigen Stör fangen.
Ist die Zeit des Störfangens vorbei, so beginnen die Seehundsjagden, die von den Badegästen und Eingebornen mit gleichem Eifer betrieben werden und im Juli die größte Beute liefern. Später werden die Seehunde, wenn sie bereits mehrfach gejagt sind, sehr vorsichtig und scheu. Die Art des Jagens ist verschieden. Bei günstigen, d. h. östlichen Winden, fährt man rechtzeitig nach einem beliebten Lagerplatz der Seehunde und legt sich in einer möglichst anschließenden, grauen Kleidung, mit Büchse und langem Haken bewaffnet, auf den Sand, hart am Ufer des Meeres und wartet geduldig. Zeigen sich Seehunde, so sucht man sie durch Nachahmen ihrer Bewegungen und ihres Geheuls heran und möglichst auf den Sand zu locken. Das letztere gelingt jedoch nur bei jungen, unerfahrenen Hunden; die größeren tötet man durch einen Schuß, wenn sie sich soweit genähert haben, und sucht sich dann der Beute vermittels des langen Hakens und des in der Nähe bereit gehaltenen Bootes zu bemächtigen. Liegen die Seehunde bei der Ankunft bereits auf dem Sande, so landet man in einiger Entfernung und sucht sie, falls das Ufer steil genug abfällt, unter der Kante entlang schleichend, vom Meere abzuschneiden, doch gelingt dies bei der Wachsamkeit der schlauen Tiere sehr selten. Meistens werden sie des Jägers vorher ansichtig und trollen schnell ins Wasser. Ist derselbe bereits nahe genug, so eilt er schnell herbei und sucht die Tiere, die ihre Köpfe neugierig aus dem Wasser herausstrecken, durch einen Schuß vom Lande zu töten. Natürlich hat man immer auf den Wind Rücksicht zu nehmen und sich stets an der Leeseite der Tiere zu halten. Die Seehunde schießt man nur bei der Ebbe. Während sie zur Flutzeit ihrer Nahrung nachgehen, benutzen sie die Ebbe, um sich auf bloßgewordenen Sandbänken zu sonnen, und schießt man sie auch leichter bei Sonnenschein und warmer Witterung, als bei schlechter. Sie halten sich hier meistens auf den nördlichen Sanden auf. Die »Lorenz-Plate,« nordwestlich von Westerhever, und die Bänke bei Süderoog, Südfall und Pellworm sind so die Hauptplätze doch hier auf dem Kapsande und Rochelsteert sind sie auch zuweilen. Man schießt sie gewöhnlich mit grobem Schrot, zuweilen auch mit der Kugel, doch gehört hierzu natürlich etwas mehr Fertigkeit. An einzelnen Stellen, wo die Lage der Sandbänke und Priele günstig ist, fängt man die Tiere auch in Störnetzen, indem man eine förmliche Treibjagd anstellt.«
Wir können uns nicht versagen, für diejenigen Sanct-Peter besuchenden Badegäste, welche der Seehundsjagd huldigen, auch noch die reichen und äußerst interessanten Schilderungen des Störkönigs von Westerhever (Andreas Ostermann) über die Gewohnheiten und die Art des Erjagens der Seehunde hier mitzuteilen. Wir geben den uns gelieferten Bericht wörtlich, mit einigen stilistischen Änderungen hier wieder und sind sicher, daß diese, auf eine 50jährige Erfahrung gestützte, sehr eingehende Schilderung allen Seehundsjägern hochwillkommen sein wird. Der Störkönig, als Seehundsjäger und Störfänger gilt in den dortigen Gegenden als bahnbrechende Autorität. Er schreibt:
»Seit 1843 habe ich die Seehundsjagd sehr eifrig betrieben, ohne andere Anleitung und Belehrung. Die Jagden werden von den Sanden aus geführt, nur vereinzelt vom Boote aus. Man bedient sich groben Hagels Nr. 0 u. L. Die Seehunde müssen von der Seite in den Kopf geschossen werden. Schießt man von vorne, so streifen die Hagel nach beiden Seiten über die zähe Haut ab. Sie werden dann mitunter tödlich verwundet; die Augen gehen zuweilen beide verloren, aber wenn keine Hagel das Gehirn berühren, so geht er fort und stirbt harmlos ab.
Unsere schleswig-holsteinische Westküste ist mit vielen hohen Sandbänken versehen, welche die Seehunde als Ruhepunkte benutzen. Sie wählen natürlich die höchste steile Stelle, wo das Wasser tief ist, um rasch hineinzustürzen, wenn sie gestört werden. Die meisten hohen Sandbänke sind aus der östlichen Seite steil, weil bei schwerem Sturm und hohem Wasser wir westliche Winde haben und der Sand nach der Ostseite zu abspült. Die Seehunde werden bei der Ebbe geschossen. Auf den steilen Sandbänken legen sie sich rudelweis nieder, sobald das Wasser soweit abgeebbt ist, daß sie die Vorderklaue festkriegen können. Wenn es allmählich trocken wird, dann kommen sie von ihrer Fischerei, um sich auszuruhen. Nun weiß man aber ganz genau, wo der Wind am günstigsten ist. »Der günstigste Wind ist, wenn er längs den Sandbänken und gegen die Ebbe steht. Da die Hunde auf der östlichen Seite liegen und die Ebbe dort von Ost nach West geht, so ist der Westwind der beste;·dann SW, S. SO und O. Der Wind darf dort aber nicht NW, N, NO sein. Dann bekommen sie sofort Witterung und verschwinden mit einem Schlag im Wasser, wenn sie auch nur einige Tage alt sind. Die Jagd ist am günstigsten auf solchen Sanden, wo sie auf der östlichen Seite liegen, und zwar abends, weil die Sonne dann in der westlichen Richtung sitzt. Dann müssen die Hunde gegen die Sonne sehen und können die anschleichenden Jäger nicht so genau unterscheiden, wenn sie mit dem Kopfe zum Vorschein kommen. Man nähert sich mit dem Boote nicht eher, bis man sicher ist, daß der Sand trocken ist, so daß man sich dort niederlegen kann. Nun fährt man mit dem Boot, womöglich unter Schutz, so daß die Seehunde einen nicht sehen können, und im Falle sie wirklich das» Boot sehen können, sie gegen die Ebbe schwimmen müssen, wenn sie neugierig sind. Sie kommen auch gleich·wieder mit der Ebbe zurück nach dem Standpunkte hin, von wo sie abgejagt sind. Die Jungen sowohl wie die Alten gehen sofort nach den niedrigen Sanden wo sie sich wieder auflegen. Wenn man nun vom Boot aus zu Fuß nach dem Hunde hingeht, womöglich von hinten her, um ihm so nahe wie möglich zu kommen, läuft man schnell, bis man dicht nach der Stelle kommt.
Dann geht man ruhig und niedrig, sonst, wenn sie sehen, daß man kräftig läuft, werden sie scheu. Darauf legt man sich 6 - 7 m vom Wasser auf den Bauch nieder, spannt die Flinte und legt sie rechts neben sich nieder, den langen Haken 3 m entfernt auf die linke Seite. Man hat einen grauen Anzug an und eine Kopfbedeckung mit einer Klappe über den Mund und die Nase, nur einen Schlitz für beide Augen. Man macht dann dieselben Bewegungen wie die Hunde. Die Füße spitz« die Beine dicht zusammen, den Oberkörper in einem Bogen, den Kopf nicht so hoch umdrehen. Sprünge gerade so machen wie sie, nicht die Beine so winkelrecht in die Höhe, immer in einem mollartigen Bogen. Sieht man, daß ein Hund direkt auf einen los« kommt, mit Kraft, dann nähert man sich, auf dem Bauche kriechend, stützt die Flinte mit der linken Hand in die Höhe, den Kolben in den Sand. Ist er dann dicht vor dem Land und schwimmt gerade oder schräge auf einen los, so zielt man auf ihn und macht nur schwache Bewegungen mit den Beinen. Man läßt ihn dann ruhig laufen. Sobald er Grund bekommt mit den Vorderfüßen, liegt er erst gewöhnlich still. Man zielt ruhig auf ihn. Er blickt sich dann gewöhnlich um, und der Schuß fällt von der Seite in den Kopf, und er ist fertig. Laufen die andern dann fort, 2 - 3 m, ehe sie still liegen, so ziehe man mit dem Haken den erlegten Seehund zu sich heran, drehe die blutige Seite in den Sand, daß sie nicht vom Wasser aus zu sehen ist und legt sich wieder nieder.
Ist da ein Hund, der immer so hoch aus dem Wasser steht und fast immer auf einer Stelle in die Höhe kommt, dann ist er sehr scheu. Hat man das Glück, ihn soviel zu täuschen, daß er so nahe kommt, daß man ihn beim Einwaten in das Wasser mit dem langen Haken erreichen kann, dann zielt man auf ihn, sobald er eine Drehung mit dem Kopfe macht - und er ist fertig. - Hat man erst einen geschossen, so glückt es leicht, alle zu schießen, indem man Schutz hinter den erlegten, meist jungen Seehunden hat, welches die Seehunde nicht erwarten. Kommt ein alter Seehund in Sicht, gegen die Ebbe mit Kraft anschäumen, so hat man das Boot so liegen, daß er es nicht eher in Sicht bekommt, bis er gerade vor ist. Dann glückt es sicher, sobald man ihn in Sicht bekommt. Während er unter Wasser ist, läuft man dann rasch hinunter ans Wasser und legt sich nieder, bis er wieder in die Höhe kommt. Dann fängt man an und kriecht nach oben mit ebensolchen Sprüngen wie die Seehunde. Dann kommt er mit rasender Kraft an, da er glaubt, daß oben einer aufgekrochen ist. Sobald er nahe kommt, macht man wenig Bewegung. Wenn er dicht bei ist und zum letzten Mal unter ist, ehe er einen erreicht, nimmt man die Flinte und dreht sich soviel wie möglich nach der Richtung, in welcher er wieder über Wasser kommen muß. Dann sieht er, daß es nicht richtig ist; er schwimmt vorbei, blickt immer grimmig und steif nach dem vermeintlichen Seehunde. Man läßt die Flinte, immer zielend, mitgehen, bis er wegblickt. Dann fällt der Schuß, und er ist fertig. Bei windiger Witterung, wenn die Sonne so dann und wann durchblickt, ist es am besten, man macht die Bewegungen der Seehunde wenig nach.
Vier auf einmal ist das meiste, was ich geschossen, denn die Sande sind hier so beschaffen, daß sie immer sehen können, wenn ein Boot kommt. Ich habe häufig erfahren, daß, wenn es eine zeitlang stürmisch gewesen und die Seehunde keine Ruhe gehabt haben, dann liegen sie in großen Rudeln auf dem Sande und laufen so weit hinunter, daß sie vor dem Winde in Schutz, liegen. Einer jedoch bleibt oben liegen, so hoch, daß er über die Sandbänke wegsehen kann, um nicht überrumpelt zu werden. Ich habe dieses häufig mit dem Fernrohre gesehen. Keiner von dem Rudel rührt sich, bloß die Wache oben sieht jeden Augenblick in die Höhe. Kommt man dann in die Nähe, so macht er durch ein heiseres Gebell die Schar aufmerksam. Diese läuft sofort wieder bis dicht ans Wasser. Sobald die Wache von ihrem Posten herunterkommt, stürzt das ganze Rudel ins Wasser. Bleibt mitunter ein Junges, welches fest schläft, liegen, dann springen sie dicht vor dem Lande hoch aus dem Wasser wieder, um es zu ermuntern. Wenn es davon nicht aufwacht und sie soviel Zeit haben, so läuft einer aus dem Wasser und ihm über die Hinterflossen, daß er wach wird. Haben sie nicht soviel Zeit, und man ist dicht bei ihnen, schauen sie alle aus dem Wasser, aber ehe man losschießt, gehen sie alle mit großem Geräusch unter Wasser.
Seit 1843 haben die Seehunde hier gewaltig abgenommen, es ist nicht mehr der vierte Teil vorhanden. Sie halten sich hier einzeln auf: auf Kapsand, dem nördlichen Robbensand, Mittelplaat, Heversterd und Süderoog. In früheren Jahren ist das höchste in einem Jahre 88 Stück gewesen, welche ich geschossen, darunter 22 alte. Zweimal im Jahr in den achtzigern, in einer Ebbe, dreimal 12 in einer Ebbe, 9 - 10-mal mehrere in einer Ebbe. Dreimal zwei in einem Schuß im Wasser. Der größte maß acht Fuß rheinisch und gab 85 Pfund reinen Thran. Das größte Junge gab 33 Pfund reinen Thran. Wenn die jungen Hunde die Mutter verlassen, sind sie am schwersten. Wenn sie an hoch in den 20 Pfund Thran haben, so magern sie ab, so daß sie im Oktober und November nur 5 - 6 Pfund haben. Die beste Jagdzeit ist, wenn sie die Mutter verlassen wollen, so vom 8. bis 15. Juli, im August werden sie schon mager. Alte sind am fettesten dicht vor dem Jungen, Anfang Mai.
Wenn man auf der Jagd ist und liegt auf einer Stelle, wo die Seehunde immer aufliegen, muß man ruhig liegen bleiben, ja nicht zu viel aufstehen, das sehen sie aus der Ferne. Die Jungen treiben im Wasser und schlafen häufig. Ehe man es sich versieht, ist einer in der Nähe, und sie werden scheu, wenn man aufrecht steht. Wenn sie erst von der Mutter verlassen werden, schreien sie furchtbar umher, da sie von der Mutter gebissen werden, um sich abzugewöhnen. Dann sind sie meist scheu. Wenn man dann auf solchen Stellen liegt, kommen sie schreiend dicht längsseit, gehen aber eben vorher wieder unter, kommen dann eine Strecke weiter an der andern Seite wieder dicht am Lande auf, kriechen mitunter aus dem Wasser, liegen eine Zeitlang still und gehen dann wieder ins Wasser. Man muß noch immer seinen Platz nicht verlassen. Er kommt gleich schreiend zurück. Dies kann drei bis viermal passieren. Endlich wird er dreister und guckt gerade vor einem auf. Dann ist er verloren. Die Flinte hat man schon vorher, in der Erwartung, daß er aufblickt, parat. Kommt ein solcher Schreihals einen in Sicht, legt man an. Er sieht einen nur an, dreht sofort den Kopf und will wieder schreiend längsseit gehen. Dann fällt der Schuß sofort, und er liegt auf der Seite.
Eben vor der Zeit, wenn sie von der Mutter kommen, werden sie allmählich abgewöhnt. Die Alten gehen dann mit der letzten Ebbe eine Zeitlang fort, kommen aber, bevor der Sand unterläuft, mit der Flut zurück, kriechen auf, und die Jungen erhalten Milch. Ich habe auf einer solchen Stelle dreimal 12 Stück auf einmal geschossen. Mit der Ebbe schoß ich die Jungen, mit der Flut die Alten, einen nach dem andern. An einem Tage sieben alte, an einem vier bis fünf alte. In den ersten Jahren kostete ein Seehundsfell 1,50 Mk., jetzt 4,5 Mk., Thran früher 40 Pf., jetzt 70 Pf. das Pfund.
Jetzt ist der Erwerbszweig auf dem Gebiete der Seehundsjagd wenig ergiebig. In den letzten Jahren habe ich 16, 18 bis 20 Stück im Jahre geschossen. Die Störfischerei ist nun der Haupterwerbszweig. Ich bin Gründer und Erfinder der Störfischerei zwischen der Hever und der Eider-Mündung. Den 18. Juni 1877 habe ich die ersten sieben Störe gefangen. Außerdem bin ich Erfinder eines aus Drahtgeflecht hergestellten Krabbennetzes welches den 5. April 1892 im Interesse der Fischerei in Garding öffentlich ausgestellt wurde. Von Jugend auf bin ich Seemann, habe weite Reisen gemacht in die Polargegenden an die afrikanischen Küsten, das mittelländische Meer, nach England und Frankreich und widme meine freie Zeit noch immer meiner Lieblingsbeschäftigung der Seehundsjagd!«
Auf Segeltouren sieht man hier oft die Tümmler (auch Meerschwein genannt, Phocaena communis), kenntlich durch ihre über dem Wasser sichtbaren, sich fast kugelförmig überschlagenden Sprünge. Diese Delphinart ist von Einheimischen wegen ihres, einen feinen Thran liefernden Speckes begehrt und wird ihr auch nachgestellt. Sie werden auch ab und zu, besonders bei Gelegenheit des Störfanges, in den Netzen gefangen. Zuweilen werden sie auch von Badegästen vom Boote aus mit der Büchse gejagt, sind jedoch wegen der Raschheit ihrer Bewegungen äußerst schwer zu treffen und tauchen, selbst tödlich getroffen, sogleich unter, um später an den Strand gespült zu werden. - Auch der graue Katzenhai kommt hier vor. Ebenfalls der Nagelroche (Raja clavata), dessen eigentümlich geformtes, hier abgebildetes Ei man häufig am Strande findet.
Am Strand von Sanct-Peter zwischen den Badehotels und Ording sieht man bei der Ebbe, von den Dörfern herbeieilend, Männer, Frauen und Kinder hochaufgeschürzt und mit bloßen Beinen bis an die Kniee und drüber im seichten Wasser watend und mit ihren kleinen Schleppnetzen hier »Gliepen« genannt, den Fang der hier zahlreichen sogenannten »Purren« (Garneele, Crangon vulgaris) betreiben, welche die Badegäste dann, nachdem sie gekocht wurden, fast täglich auf der Speisetafel der Hotels finden und gerne essen. Austern dagegen werden bei Sanct-Peter nicht gefangen, ebensowenig Hummer. Wohl aber der gern gegessene Taschenkrebs und, ebenfalls eßbar, beim Störfang ein großer Seekrebs, von der Gestalt des Taschenkrebses, von brauner Farbe, 10 -15 cm im Durchmesser haltend.
Die Sandbänke bei Ording sind zu Zeiten ganz weiß von den vielen Strandvögeln, die hier bei der Ebbe ihrer Nahrung nachgehen. Außer den verschiedenen Arten Möven findet man hier den rotfüßigen Austernfischer (Haematopus ostrealegus), welcher den Weichtieren nachstellt und den Inhalt der an den Strand gespülten Miesmuschel oder Auster verspeist. Derselbe schmeckt etwas thranig.
Außerdem die verschiedenen Arten der Regenpfeifer, die recht gut schmecken und daher auch geschossen werden. Vorzüglich den Strand- oder Seeregenpfeifer (Charadrius cantianus), ein niedliches Tierchen, welches sich durch zwei weiße Flecke an jeder Seite der Brust auszeichnet. In seiner Gesellschaft findet man oft den Sand- oder Kragenregenpfeifer (Charadrius hiaticula) und ebenso den hier unter dem Namen »Tüter« bekannten Goldregenpfeifer (Charadrius pluvialis). Am häufigsten trifft man am Strande die gemeine Seeschwalbe (Sterna hirundo) mit roten Beinen und Schnabel, die allgemein bekannt sein dürfte; seltener schon die Sterna minuta mit orangegelbem Schnabel und Sterna nigra mit schwarzen Beinen und Schnabel. Sehr oft auch findet man am Watt den kleinen, flinken Strandläufer (Tringa maritima), welcher die kleineren Weichtiere bei zurückflutendem Wasser eifrig aufliest. Von den Entenarten trifft man hier nebst verschiedenen die sich hier nur zur Zeit der Frühjahrs- und Herbstwanderungen aufhalten, die Eiderente (Somaberia mollissima) mit graugrünen Beinen und Schnabel und seegrünen Halsseiten die vielfach hier geschossen wird, doch etwas thranig schmeckt, und die Brandente (Anas tadorna), schwarz mit rostroter Brustbinde, die in den Erdhöhlen der Dünen ihre Nester einrichtet. Eine ungewöhnliche Erscheinung ist dem Binnenländer auch der hier vorkommende, mächtige Seeadler (Falco albicilla), der allerdings nur selten, wegen der Höhe, in welcher er schwebt, zum Schusse kommt. An den Sümpfen bei Sanct-Peter und Süderhöft, sowie an Gräben findet man außerdem Rebhühner, Schnepfen, Bekkasinen und zuweilen Wachten. Auch gelangten im Sommer 1888 bis hierher die sonst in Asiens Steppen lebenden Steppenhühner (Syrrhaptes paradoxus). In den Dünen findet man in Sanct-Peter sehr häufig den gewöhnlichen Hasen, dem auch vielfach mit Erlaubnis der Jagdpächter (meistens Matthiesen und Jensen) von den Badegästen nachgestellt wird, ebenso wie den erwähnten Wasserhühnern.
Am Strande von Sanct-Peter findet man, besonders nach starken Stürmen, in dem schwarzen Sandgerölle häufig kleinere und auch größere Stücke Bernstein, welche von den sogenannten Strandläufern aus den Dörfern nebst anderen an den Strand gespülten Dingen aufgelesen werden, besonders die größeren Stücke, so daß den eifrig nachsuchenden Badegästen, die nicht so früh aufstehen, meist nur die Nachlese bleibt. Immerhin findet man doch noch ganz nette Stückchen.
Die an den Strand von Sanct-Peter gespülten Muscheln werden ebenfalls von den Badegästen besonders Kindern, anfangs viel gesammelt, später ist es schon etwas Altes. Hier kommt besonders die eßbare Miesmuschel (Mytilus edulis) vor, die jedoch als Nahrungsmittel wenig Liebhaber findet. Sie wird dagegen zum Düngen des Sand-Moorbodens vielfach verwendet. So wurden 1866 bei Büsum 8000 Tonnen dieser Muscheln auf die Felder gebracht. Außerdem findet man hier oft die gleichfalls eßbare Herzmuschel (Cardium edule), die Tellmuschel (Tellina baltrea), die Strandschnecke (Littornia littorea), die Krullschnecke, die sogenannte Sägemuschel (Donax anatinus), die am untern Rande wellenförmig gezähnelt ist, und andere Arten. Den wenigsten Binnenländern ist wohl bekannt, daß aus der Schale der an den Strand gespülten Muscheln, zum Teil Überreste untergegangener Generationen, von den Küstenbewohnern »Schille« genannt, ein großer Teil des in Ostfriesland und dem westlichen Schleswig-Holstein zum Bauen verwendeten Kalks gebrannt wird.
Ab und zu wird hier auch der Sepienknochen die Rückenschuppe des Tintenfisches (Sepia officinalis), gefunden, den man in Eiderstedt wenigstens zur Zeit meiner Schulzeit, in dortigen Schulen zum Ausschaben von mit Tinte Geschriebenem viel benutzte, welches mit diesem, wenn sie gut und recht weich sind, auch besser als mit dem Radiermesser gelingt. Auch wird am Strand von Sanct-Peter gefunden: der hübsche, rote Seestern (Asteracanthion rubens) und der gemeine Seestern (Ophioglypha texturata).
Die Seesterne, besonders der rote, sowie auch die Quallen, werden im Frühjahre hauptsächlich an den Strand getrieben, so daß beide während der Badesaison verhältnismäßig selten sind.
Wer sich noch eingehender über die Seevögel und Meeresbewohner, wie sie an dem Nordseestrande vorkommen, unterrichten will, nehme das sehr lesenswerte, mit vielen lehrreichen Abbildungen versehene Buch von Berenberg (die Nordseeinseln) zur Hand.
Reisenotizen
Vielen Binnenländern, die nicht seefest sind, besonders auch Kindern und Frauen, wird es angenehm sein, daß Sanct-Peter, gleichwie Kuxhaven und Büsüm, zu Lande zu erreichen ist. Man fährt von Hamburg aus am besten in durchgehendem Wagen über Elmshorn, Itzehoe, Heide mit der Marschbahn nach Husum, versichere sich jedoch, daß der betreffende Zug auch auf dem Staatsbahnhof in Husum hält, was bei einigen Schnellzügen nicht der Fall ist. In Husum muß man umsteigen und fährt über Tönning nach Garding. Man kann auch auf dem näheren, aber etwas unbequemeren Wege von Heide über Karolinenkoog nach Tönning fahren. Man muß dann in Heide aussteigen und kann einen etwaigen Aufenthalt in der empfehlenswerten Bahnhofsrestauration mit schönem, schattigem Garten zur Einnahme eines guten Imbisses verwenden. Die Bahn geht dann in einer Stunde bis nach Karolinenkoog, wo man mit der Dampffähre nach Tönning übersetzt der Landungsplatz der Dampffähre in Tönning liegt vom Bahnhof fünf Minuten entfernt. Früher mußte man von Tönning per Wagen nach Sanct-Peter fahren, wozu man ca. drei Stunden gebrauchte, vom Sommer 1892 an führt die Bahn bis Garding. Hierdurch wird der vielen Badegästen unangenehme Wagenweg durch die ganze Landschaft Eiderstedt sehr abgekürzt, so daß man von Garding ab (Hotel »Holsteinischer Hof,« Inh. J. G. Nootbaars Wwe., oder »Hotel zur Börse,« Inh. P. G. Blume) das Kirchdorf Sanct-Peter auf schöner Chaussee mitten durch den westlichen Teil der fruchtbaren Marschlandschaft mit ihren schönen Fettweiden und stattlichen Gehöften in gut einer Stunde erreicht. Hier vernimmt man schon das dumpfe Brausen der See bei herannahender Flut und fährt den etwas beschwerlichen Sandweg durch die Dünen (derselbe ist jetzt als Nebenweg erster Klasse ausgelegt) nach den Badehotels, welche inmitten der großartigen Dünenlandschaft liegen.
Zur Zeit ist noch kein ständiger Arzt in Sanct-Peter anwesend. Dies wird jedoch dadurch ausgeglichen, daß fast immer Ärzte als Badegäste anwesend und stets bereit sind, im Bedarfsfalle ihre Hilfe bei den in Sankt-Peter vorkommenden Erkrankungen zur Verfügung zu stellen. Im übrigen ist man auf das nahe, durch Fernsprecher mit Sanct-Peter verbundene Garding angewiesen woselbst drei Ärzte (Dr. Siemers, Ratsisch und Dr. Deinert) domizilieren und auch eine Apotheke vorhanden ist. Viele medizinische Handverkaufsartikel, die öfter in Sanct-Peter gebraucht werden, hält auch der Gastwirt und Krämer Deinert im Kirchdorfe Sanct-Peter zum Verkaufe.
Wann soll man ins Nordseebad, speziell nach Sanct-Peter gehen?
Leider wird diese sehr wichtige Frage nicht immer vom ärztlichen Standpunkte aus beantwortet, sondern richtet sich für die Frauen und Kinder und durch diese auch oft für die Männer vielfach nach den Schulferien die meist in den Juli bis in den August hinein fallen. Der Juli und oft auch die erste Hälfte des August ist aber in unserem nordischen Klima eigentlich der Regenmonat, während der Juni und besonders der September eigentlich die beständigsten Sommermonate sind. In dem Buche: »Hamburg in naturhistorischer und medizinischer Beziehung.« (L. Friederichsen & Co., Hamburg 1876) heißt es, nach Beobachtungen der Hamburger Seewarte: »Der Mai ist in Böhmen und Österreich um mehrere Grade wärmer als an der Küste; die alsdann eintretende Regenzeit des Frühsommers, welche in Hamburg erst später (im Juli) und schwächer sich bemerkbar macht, läßt den Wärmeüberschuß jener Orte über Hamburg im Juni etwas kleiner werden; umgekehrt wird indessen dieser Ueberschuß vergrößert und erreicht sein Maximum Ende Juli oder im August, wenn im Südosten der trockene heitere Spätsommer eingetreten ist, während Hamburg und die ganze Deutsche Küste gerade um diese Jahreszeit sich gewöhnlich als besonders regenreich zeigt.
Übrigens ist zu bemerken, daß als heiterster Monat in den einzelnen Jahren häufiger der Mai oder auch April, oder der September und sogar Oktober aufgetreten ist, als einer der eigentlichen Sommermonate, welchen ein gewisses Maß von Bewölkung stetiger eigen zu sein scheint, als den genannten Monaten.«
Wer also nicht durch die Schulferien behindert ist, gehe Ende August ins Seebad und bleibe den September über, er hat die größte Anwartschaft auf schönes Wetter. Die Hotels sind nicht überfüllt, die Preise billiger, die Landjagden beginnen, und gerade im Spätsommer ist besonders in Sanct-Peter das Wasser meist ebenso warm, ja oft wärmet, als im regenreichen Juli und oft auch August, da die Sonnenwärme, durch weniger Bewölkung gehindert, das Wasser auf dem flachen Sanct-Peter Strand meist noch beträchtlich (bis zu 20°) erwärmt, vorausgesetzt daß man nicht zu früh am Tage badet, um der Sonne Zeit zur Erwärmung des Wassers zu lassen. Hier sind vorzugsweise die Nachmittagsbäder sehr zu empfehlen. Im Juni ist das Wasser nicht so warm und die Luft nicht so erfrischend wie im September. Man hat außerdem beim Badeaufenthalt in der Spätsaison den Vorteil, daß die Nachwirkung viel länger, bis in den Winter hineindauert, welches für Lungenleidende sehr vorteilhaft ist und sie besser in den Stand setzt, den Winter zu überstehen.
Die Abende und Morgende sind, im Gegensatz zum Kontinent, im September noch sehr warm und differieren nur wenig, 1 -2 Grad, von der Nachmittagstemperatur. Wir trafen bei unserm letzten Aufenthalt in Sanct-Peter einen Badegast, der schon zum siebenten Male nacheinander·dort war und stets erst Ende August gekommen und bis Ende September blieb. Er versicherte uns, noch nicht ein einziges Mal schlechtes Wetter getroffen zu haben.
Ganz besonders ist den an Lungen- und Nervenerkrankungen leidenden ein verlängerter Aufenthalt bis tief in den Herbst hinein, zu raten. Meist ist das Wetter an der See noch ungewöhnlich warm und gleichmäßig, und diese Kranken, wie später erörtert wird, sollen ja nicht kalt, sondern vorzugsweise warm baden oder nur überhaupt die Seeluft genießen.
Übersicht
über die
Wirkung und Gebrauchsweise
der
Nordseebäder
Nachdem wir in Vorstehendem kurz dasjenige zusammengestellt haben, welches für diejenigen, welche Sanct-Peter zu besuchen gedenken und dieses Bad noch nicht aus eigener Anschauung kennen, zu wissen von Vorteil ist und sie in den Stand setzen soll, ein eigenes Urteil über dieses aufblühende Nordseebad sich zu bilden, erübrigt uns noch, eine Übersicht über die Wirkung und Gebrauchsweise der Nordseebäder und ihrer heilkräftigen Faktoren, mit besonderer Berücksichtigung Sanct-Peters zu geben. Wir haben keineswegs im Sinne, gelehrte Abhandlungen über dieses schon genügsam von berufener Seite ventilierte Thema zu geben, sondern werden uns darauf beschränken, dasjenige, was eigentlich jedem Nordseebadegaste zu wissen nötig ist, hier in gedrängter Kürze, in allgemein verständlicher Form, wiederzugeben. Dies erscheint hier um so mehr nötig, als in Sanct-Peter kein Badearzt anwesend ist, der mit erfahrenem Rat den Badegästen zur Seite stände, und wir aus eigener Erfahrung wissen, wie sehr häufig gerade in Sanct-Peter gegen die elemen¬tar¬sten Regeln einer Nordseebadekur gefehlt wird. Man wolle immer berücksichtigen, daß der Gebrauch eines Nordseebades eine tiefeinschneidende Wirkung auf den menschlichen Organismus ausübt und sich als ein zweischneidiges Schwert, bei unrichtigerem Gebrauche, erweist. Man sollte sich also gewöhnen eine Nordseebadekur methodisch, gemäß alter, durch die Erfahrung abgeleiteter Regeln mit Ernst zu betreiben, da doch ein jeder das Verlangen hat, seine angegriffene Gesundheit durch diese möglichst zu kräftigen, damit sie auch ferner der heutigen aufreibenden Berufsthätigteit gewachsen bleibe. Wir hegen daher die Hoffnung, daß die folgenden Ratschläge für die Sanct-Peter besuchenden Badegäste Beherzigung finden mögen, zum Vorteil und zur Kräftigung von deren erholungsbedürftigen Gesundheit.
Seeklima und Seeluft.
Bei der Beurteilung der Heilkräfte eines Nordseebades kommt in erster Linie das Seeklima und die Seeluft in betracht. Sie allein bilden die maßgebenden Faktoren, die die günstige Beeinflussung einer Nordseekur bedingen, alles andere, zumal die Seebäder, sind nur als Hilfskräfte zu betrachten, die, richtig angewandt, diese oft unterstützen, fast öfter jedoch, bei fehlerhaftem Gebrauch, beeinträchtigen. Nicht oft genug kann diese, den Ärzten jetzt ziemlich geläufige Thatsache den Laien immer wiederholt werden, da von diesem Gesichtspunkte allein eine Nordseebadekur geleitet werden sollte. Nicht immer war diese Anschauungsweise auch den Ärzten geläufig,·erst durch die epochemachenden Arbeiten von Benecke im Jahre 1881 brach sich dieselbe langsam Bahn. Wir brauchen zur Bewahrheitung dieses Satzes keinerlei gelehrte Auseinandersetzungen, es genügt für uns vollauf, die jedem Nordseebadbesuchenden zugängliche Thatsache, daß die Insel und Küstenbewohner sich einer vorzüglichen Gesundheit erfreuen und meist ein hohes Lebensalter erreichen, obschon sie fast nie oder doch äußerst selten baden. Ein Schiffer in Ording, an den ich die Frage stellte, ob er nicht auch badete, erwiderte gelassen: »Nee, dat hett ja gor keenen Zweck, da ward man höchstens möd davon!« Ich war durch das Treffende dieser Antwort sehr überrascht und habe immer wieder an diese einfache Antwort denken müssen, wenn mir hier und da geklagt wurde, daß man nach dem Baden so müde würde und sich gar nicht besonders wohl darnach befände. In der That, man hat nur nötig, diejenigen Badegäste, welche nicht kalt baden, zu beobachten, sie gedeihen oft viel besser und nehmen rascher zu an Kraft und Gewicht, als diejenigen, die konsequent baden. Sollte dies bloßer Zufall sein? Wir glauben dies nicht. Die Mehrzahl der Badegäste heutigen Tages besteht eben aus nervösen, blutarmen Naturen, die die mächtige Einwirkung eines wellenbewegten Nordseebades eben nicht besonders gut vertragen, und oft genug wird durch diese Bäder, die aus Unkenntnis oft zu lange ausgedehnt werden, die heilsame Wirkung der Luft und des Klimas an der Nordsee nicht wenig beeinträchtigt. Die Luft wird fortwährend eingeatmet, von jedermann (abgesehen vielleicht von Schwerkranken und Fiebernden, die überhaupt nicht an die See gehören) vertragen und hat eine monatelange Nachwirkung. Die Seebäder dauern 2 - 5 Minuten, haben eine nur vorübergehende, kurze Nachwirkung und werden keineswegs von allen vertragen. Sie beeinträchtigen nur zu oft, zumal bei fehlerhaftem Gebrauche, den Erfolg einer Nordseebadekur.
Aus diesem Gesichtspunkte auch ist der Wert oder Unwert eines Nordseebades zu betrachten. Nicht etwa der starke Wellenschlag, dessen sich Sylt rühmt, bedingt die Heilwirkung dieses Bades, lediglich die günstige Lage am offenen Meere; während der erstere nach unserer Ansicht eher geeignet ist, die Brauchbarkeit dieses Bades zu beeinträchtigen. Aus dieser Erkenntnis auch folgt die Regel, daß sich die Badegäste möglichst viel der reinen Strandluft bei leichter Bewegung aussehen, daß daher ein schöner, gangbarer, breiter und langer Strand ein erstes Haupterfordernis eines guten Nordseebades ist.
Friedrich (»Über den Salzgehalt der Seeluft« 2c, in der »Deutsch. mediz. Ztg.« Nr. 61-63. 1890.) sagt daher sehr richtig: »Es ist durchaus selbstverständlich, daß für Asthmatiker, Kranke mit pleuritischem Exsudate überhaupt für Lungenkranke und für mehr oder weniger Schwerkranke im allgemeinen, auch der geeignete Ort für den Gebrauch der Seeluftkür aufgesucht werden muß. Erstes Erfordernis in dieser Beziehung ist ein geeigneter Strand, der also leicht erreichbar, leicht zugänglich und leicht und bequem begehbar, somit ein reiner, feiner, fester, weiter und ebener Sand sein muß, der genügende Bewegung gestattet, kein Steingeröll; mit einer nicht durch Tanggeruch oder Verwesung organischer Körper verunreinigten Luft.« Daß Sanct-Peter in dieser Beziehung den meisten anderen Nordseebädern voransteht und selbst Norderney und Sylt nicht nachsteht, davon kann sich jeder überzeugen, der dieses aufblühende Bad besucht. Keine Treppen sind hier zu steigen, wie in Sylt und Helgoland, und selbst der Strand in Norderney, der sonst wohl als der vorzüglichste der Nordseeinseln gilt, übertrifft den von Sanct-Peter, da er wohl so lang, doch nicht so breit ist«, in den oben geforderten Eigenschaften nicht.
Also der Wert als Luftkurort und das Klima, nicht aber der größere oder geringere Wellenschlag bedingen den Wert und Unwert eines Nordseebades. Aus diesen Gründen haben wir nicht angestanden, Sanct-Peter in die erste Reihe der Nordseebäder zu stellen, und diese Erkenntnis wird, so hoffen wir, durch die offen liegenden Thatsachen sich bald allgemein Bahn brechen.
Wir stellen uns also auf denselben Standpunkt wie Benecke, ja gehen eher noch weiter. Lediglich gebührt der Seeluft in dem gleichmäßigen Nordseeklima allein die günstige, nachhaltige Wirksamkeit. Die Seebäder unterstützen diese wohl häufig, bei richtigem Gebrauch, noch öfter vielleicht aber beeinträchtigen sie diese unleugbar. Also freigiebig mit dem Seeluftgenuß und vorsichtig und beobachtend beim Gebrauch der Seebäder.
Die günstigen Wirkungen des Seeklimas setzen sich in der Hauptsache zusammen aus der verhältnismäßigen Temperaturbeständigkeit des Tages und der Jahreszeiten und aus den Eigenschaften der Seeluft selbst. Hier kommt hauptsächlich in betracht die große Reinheit derselben, der beständige hohe Feuchtigkeitsgehalt und die größere Bewegtheit der Seeluft, endlich noch der höhere Ozongehalt und der Salzgehalt der Seeluft. Den höheren Luftdruck übergehen wir hier als unwesentlich.
Die größere Temperaturbeständigkeit an der See ist einer der Hauptfaktoren, welcher die günstigen klimatischen Verhältnisse des Seeklimas bedingt. Es ist für jeden Badegast an der Nordsee eine auffällige und leicht konstatierbare Thatsache, daß die Morgen- und Abendtemperaturen so geringen Schwankungen unterliegen. Abends zeigt das Thermometer meist nur 1, höchstens 2 Grad weniger, ja oft denselben Wärmegrad an wie mittags, und ebenso wenig differiert hiervon die Morgentemperatur. Während des Sommers steigt die Wärme an der See selten über 15 Grad und erhält sich den größten Teil desselben mit nur geringen Schwankungen. Die Ursache dieser, dem Binnenländer auffälligen Erscheinung, ist dem Einfluß des Wassers selbst zuzuschreiben. Dasselbe er wärmt sich unter der Wirkung der Sonnenstrahlen langsamer als der Erdboden, gibt die gebundene Wärme aber ebenfalls viel langsamer wieder ab, als die letztere. Hierdurch wird erreicht, daß, wenn der Erdboden seine Wärmemenge bereits der umgebenden Luft abgegeben hat, die See ihre aufgespeicherte Wärmemenge noch immer und nur langsam der Atmosphäre mitteilt und sie dadurch erwärmt. Das Meer wirkt also gewissermaßen als Wärmeregulator für die angrenzenden Landstriche, verhindert eine zu große Wärmeansammlung im Sommer durch Abkühlung der Luft und eine zu große Kälte durch Wiederabgabe der gebundenen Wärme. Daher ist der Sommer kühler und der Winter wärmer als auf dem Festlande, der Morgen und Abend wärmer, der Mittag kühler, als zu gleicher Zeit auf dem Kontinent.
Diese regulierende Wirkung der See wird für die Nordsee noch unterstützt durch den Einfluß des Golfstroms. Dieser, im Meerbusen von Mexiko entstehend, nach Humboldt von einer durchschnittlichen Wärme von 24° C, führt seine warmen Gewässer nach nordöstlicher Richtung durch den Ozean nach Europa und bestreicht die Küste von England und Norwegen bis hinauf zum Nordkap. Hiller, in seinem sehr lesenswerten Buch über die Wirkungsweise der Seebäder, sagt von demselben: »Ihm verdanken auch die West und Südwest Winde in Deutschland ihre bekannte warme, feuchte und milde Beschaffenheit. Nicht mit Unrecht hat man daher den Golfstrom als die »Warmwasser-Heizung Europas« bezeichnet. Diesem Einflusse sind natürlich die Nordsee-Inseln ihrer Lage nach in weit höherem Maße unterworfen als die Ostseebäder.« Wir können uns nicht versagen, hier, den Wert der Nordseebäder betreffend, noch einige sehr beherzigenswerte, das oben dargelegte bestätigende Worte dieses geistvollen Autors anzuführen: »In dem Seeluftbade haben wir es mit einem Heilmittel zu thun, welchem der Kranke während eines mehrwöchentlichen Seebade-Aufenthalts ununterbrochen, Stunde für Stunde, Tag für Tag, unterworfen ist, nur zu den verschiedenen Zeiten des Tages mit wechselnder Stärke. Dabei ist dieses Heilmittel seiner Beschaffenheit nach so eigenartig,·daß es in keinem anderen Bade und Kurorte des Festlandes angetroffen wird.« Und weiter: »Die genannten Seebäder eignen sich daher vorzugsweise als Sommerfrischen für die Stadtbewohner des mitteleuropäischen Festlandes, und zwar in des Wortes strengster Bedeutung, jedenfalls in weit höherem Maße, als die zahlreichen, unter gleicher Bezeichnung angepriesenen Land und Gebirgsorte des Binnenlandes, in welchen es oft vor Hitze und Trockenheit (Staub) im Sommer nicht auszuhalten ist. Auch als »klimatische Kurorte« sind die Nordsee und Ostseebäder den gleichbenannten Kurorten des Festlandes unbedingt vorzuziehen. Denn vor diesen letzteren haben sie die größere Gleichmäßigkeit der Luftwärme in den einzelnen Monaten und die viel geringeren Schwankungen der Luftwärme während eines Tages (Seeklima) voraus. Diese wichtige Eigenschaft der Luft macht den Aufenthalt an der See, namentlich für solche Personen bezw. Kranke zuträglich und wohlthuend, welche gegen Luftwechsel empfindlich sind und zu Erkältungen neigen, also für Schwächliche, Sieche, Kinder, Genesende, Rheumatiker und Kranke mit Katarrhen der Ahnungsorgane. Auf den Nordseeinseln sind die Schwankungen der Luftwärme geringer, ist mithin das Klima milder, als in den Ostseebädern.« Diesen sehr beherzigenswerten Worten des genannten Autors fügen wir noch hinzu, daß die Zeit nicht mehr allzu fern sein dürfte, wo mit der zunehmenden Erkenntnis von dem großen Werte der Nordseebäder und der immer mehr haftenden, nervenabspannenden Berufstätigkeit, welche die Zahl der Kurbedürftigen gerade für diese stetig vermehrt die Erholungsbedürftigen fast ausschließlich an die See und nicht mehr nach den sogenannten Kurorten des Festlandes wallfahrten werden. Dieselben werden allmählich entvölkert werden, zum Vorteile der Seekurorte; dieses ist unsere feste Überzeugung. Immer mehr gewichtige Stimmen unter den nicht interessierten Ärzten vereinigen sich zum Lobe der Seebäder, besonders der Nordseebäder, und der Erfolg kann schließlich nicht ausbleiben. Immer mehr strömt das Publikum nach der See, befriedigt kehrt jeder heim und bringt, als demonstratio ad oculos, anderen Ungläubigen die Wirksamkeit der Seekur vor Augen. Ein Seebad nach dem andern schießt in die Höhe, und bald wird die Parole für alle Erholungsbedürftige heißen: »An die See!«
Neben der Temperaturbeständigkeit der Seeluft ist Reinheit der Seeluft von hervorragendster Bedeutung. Die Seeluft ist in der That als eine zunächst chemisch reine zu betrachten. Hiller sagt in seinem erwähnten Buche hierüber folgendes:« »Verglichen mit der Land und Stadt-Luft, welche neben jenen wesentlichen Bestandteilen stets noch eine, nach Örtlichkeit und Zeit wechselnde Menge von gasigen Ausdünstungen der menschlichen Haushaltungen, der verschiedenartigen Gewerbe und Fabriken, der lebenden Tiere und Pflanzen, der Gärungs- und Fäulnisvorgänge enthält, muß also die echte Seeluft als eine chemisch reine bezeichnet werden, welche nirgends auf dem bewachsenen und bewohnten Festlande in gleicher Reinheit angetroffen wird. Hierzu gesellt sich noch die Staub und Keimfreiheit der Seeluft.« Es ist gewiß schon jedem Badegaste aufgefallen, daß derselbe in seinem Zimmer fast nie Staub bemerkt, obschon dieser keineswegs von dienstbarer Hand entfernt wird. Die Ursache dieser, dem Festländer sehr ungewohnten und angenehmen Thatsache ist einfach die, daß in der Seeluft überhaupt kein Staub vorhanden ist. Wie wertvoll eine solche Lufteigenschaft, besonders auch für an Lungenkatarrhen Leidende ist, braucht wohl kaum erwähnt zu werden. In neuester Zeit sind auch (von Fischer: Bakteriologische Untersuchungen auf einer Reise nach Westindien. Zeitschrift für Hygiene. 1886. Bd. I. S. 421 -461) Untersuchungen angestellt über den Keimgehalt der Seeluft. Diese haben ergeben, daß die Strandluft der Nordsee fast frei ist von Bakterien und in einer gewissen Entfernung vom Lande (5 -6 deutsche Meilen) dieselben gänzlich fehlen. Welche Bedeutung diese Keimfreiheit der Seeluft für das Wohlergehen der leidenden Menschheit hat, wird sich jeder sagen, der mit aufmerksamem Auge die neuesten bakteriologischen Forschungen der Gegenwart verfolgt hat und ersieht, daß bei einer Krankheit nach der andern als Endursache ein der Luft beigemengter Pilz erkannt wird.
Hiller sagt in seinem zitierten Werke sehr charakteristisch: »Die Reinheit der Luft bewirkt, daß der Mensch, welcher wochenlang darin atmet und lebt, sich täglich mehr »von dem ihm aus der Stadt und Zimmerluft noch anhaftenden, in den Atmungswegen, den Verdauungswerkzeugen, auf der Haut und in den Kleidern sitzenden Keimen, welche die Störenfriede seines Wohlergehens sind, befreit und schließlich gänzlich keimfrei wird, wie ein neugeborenes Kind.«
Der hohe (durchschnittlich 75 Prozent), sehr gleichmäßige Feuchtigkeitsgehalt der Seeluft ist ferner neben der Reinheit einer der wichtigsten Faktoren, die bei der Heilwirkung der Nordseebäder mitspielen. Wir können die Wirksamkeit derselben, für den Laien verständlich, kaum besser darlegen, wie Hiller dies höchst anschaulich thut: »Größerer Feuchtigkeitsgehalt der Luft bei zugleich milder Luftwärme wirkt angenehm auf die äußere Haut und auf die Schleimhaut der Atmungsorgane. Sie verhindert die Austrocknung, erhält die äußere Haut geschmeidig und weich, die Atmungswege feucht und schlüpfrig; sie erleichtert bei Katarrhen der Atmungsorgane die krankhafte Absonderung und den Auswurf. Trockene Luft hingegen, wie sie uns in Deutschland der echte Landwind gewöhnlich aus O, NO und N bringt, welcher nicht bloß wasserarm, sondern zugleich kühler ist, trocknet Haut und Schleimhäute aus, macht die Haut spröde und rissig (im Winter), die Nase, Kehle und Luftröhre trocken, reizt zum Husten und erschwert den Auswurf, ja er zeugt bei schnellem Windwechsel nicht selten durch gesteigerte Verdunstungskälte auf der Atmungsschleimhaut Kartarrhe derselben. Seit Alters her ist der »scharfe« Ostwind bei uns als Erzeuger von Schnupfen, Husten, Halsschmerzen, Heiserkeit gefürchtet. Lungen kranke und Kranke mit langwierigen Katarrhen der Luftwege fühlen sich daher immer am wohlsten an oder auf der See« Wenn aber Hiller sagt, daß der Feuchtigkeitsgehalt der Seeluft nur bei Inselbädern ein annähernd gleichmäßig hoher und bei den Küstenbädern derselbe, von der Windrichtung abhängig, ein wechselnder ist, so ist dies keineswegs zu treffend, wenigstens nicht für Sanct-Peter. Ich habe mich durch Messungen mit dem Hygrometer während meines dortigen Aufenthaltes überzeugt, daß, wenigstens für die Badesaison, der Feuchtigkeitsgehalt ein sehr hoher, meist an 80 Prozent und mehr, und sehr beständig, selbst bei wechselndem Winde, auch bei Südost und Nordost, war.
Dies erklärt sich allerdings aus der überaus günstigen Lage von Sanct-Peter, welches auch noch bei Südost und Nordost Seewind hat und daher kaum noch als Küstenbad, sondern fast schon als Inselbad zu rechnen ist. Ein Blick auf die beigegebene Übersichtskarte läßt erkennen, daß die drei Meilen lange, in die Nordsee hinausragende, nur eine (in der Höhe von Sanct-Peter) bis eineinhalb Meilen breite Halbinsel Eiderstedt, deren westlichste Spitze (Sanct-Peter) sich ungefähr in gleichem Längengrade mit Wyk befindet, fast von allen Seiten (bis auf die Richtung nach Osten) von der Nordsee umgeben ist und daher mehr den Namen eines Inselbades als Küstenbades verdient, zumal es auch alle Eigenschaften des ersteren in vollem Maße besitzt.
Neben der Reinheit und dem hohen Feuchtigkeitsgehalt der Nordseeluft gebührt der größeren Bewegtheit der Seeluft der Hauptanteil an der eminenten heilkräftigen Wirkung der Nordseebäder. Jedem Badegaste, der aus dem Binnenlande kommt, wird es sogleich auffallen, daß am Nordseestrande die Winde stärker und kühler sind, als auf dem Festlande. Anfangs verursacht dies ein Kältegefühl und Frösteln der Haut, bald jedoch gewöhnt man sich hieran und empfindet es nicht mehr lästig.
Durch diese heftigeren, kühleren und feuchteren Seewinde wird eine gründliche Lüftung des Körpers und der umgebenden Kleidung, eine wärme entziehende Wirkung auf die Haut und eine Anregung der Haut und Lungenatmung erzielt. Der Organismus antwortet hierauf mit vermehrtem Appetit und vermehrtem Bewegungsdrang wodurch die verlorengegangene Wärme ersetzt und der Stoffwechsel im Körper beschleunigt wird. In fast allen Schriften über Nordseebäder ist viel die Rede von einem Versuche, der zuerst von Beneke angestellt und dann von Hiller, in seinem schon erwähnten Buche, auf den menschlichen Körper übertragen ward. Es wurde eine Glasflasche mit heißem Wasser (45° C) gefüllt und durch den Korken mit einem Thermometer versehen und so, oder mit Wolle umhüllt, der windbewegten Seeluft ausgesetzt wo man dann eine mehr oder weniger große Abkühlung, proportional der Windstärke, beobachtete. Hieraus schloß man auf eine entsprechende, wärmeentziehende Wirkung auf die menschliche Haut und auch auf den Körper. Mit wenig Ausnahmen wurde dieses, auf Benekes Autorität gestützte Experiment mit den daraus gefolgerten, oft absonderlichsten Schlüssen wiederholt. Nur Kruse (»Seeluft und Seebad«) machte einen Vorbehalt, indem er sagt: »Es kann übrigens hierbei ein Bedenken nicht unerörtert gelassen werden, welches schon Professor Beneke berührt hat, ob nämlich die Übertragung der von ihm an der heißen Wasserflasche gefundenen Resultate auf die Verhältnisse des menschlichen Körpers ohne weiteres gestattet sei« Professor Beneke aber sagt: (in seinem Buche: »Die sanitäre Bedeutung des verlängerten Aufenthalts auf den deutschen Nordseeinseln.« L. Ausgabe. 1886. S. 53.) »Was sich hier an einem toten Körper ergeben hat, hat zweifellos auch Geltung für den lebenden menschlichen Organismus« Wir sprechen unsere Ansicht unumwunden dahin aus, daß dieses vielzitierte Experiment zu den Schreibtischspielereien der Gelehrten gehört, absolut gar keinen Wert besitzt und durch die tägliche Erfahrung hundertfach widerlegt wird. Der menschliche Körper ist eben keine mit Flanell überzogene Wärmflasche, sondern ein lebender, reaktionsfähiger Organismus, der die wunderbarste Fähigkeit besitzt, sich den größten Extremen des Klimas ohne Gesundheitsschädigung anzuschließen. Sobald nun der frisch bewegte Seewind die nicht genügend geschützte menschliche Haut trifft, ziehen sich sogleich die kleinen Muskelfasern der Haut zusammen und bewirken wiederum eine Kontraktion der kleinsten Hautgefäße, wodurch das Blut von der Haut, den inneren Organen zu, getrieben wird. Es entsteht die sogenannte Gänsehaut. Hierdurch aber wird eine verminderte Ausstrahlung also Wärmeabgabe des Körpers durch die Haut erzielt und der stärkere Reiz durch den Seewind ausgeglichen. Umgekehrt tritt bei vermehrter Wärme eine Erschlaffung der kleinsten Hautgefäße ein, wodurch eine vermehrte Wärmeausstrahlung, mit Transpiration verbunden, erzeugt und eine zu hohe Wärmeansammlung im Körper verhindert wird. Daß außerdem noch mehrere andere Faktoren, die keineswegs alle genügend bekannt sind, hier mitspielen, ist unabweisbar. Sehr wesentlich wird dieses Bestreben der menschlichen Natur, den veränderlichen Luftreizen, durch Kälte, Wind und Hitze, proportional sich gegen zu große Abgabe und Ansammlung der Körperwärme zu schützen, durch zweckentsprechende Kleidung unterstützt. Die Eskimos in den Eisregionen des Nordens gedeihen ebenso gut, sind nicht mehr Krankheiten unterworfen und haben fast dieselbe Körperwärme, wie die Bewohner des Äquators und der gemäßigten Zonen. Der Schiffer, der Monate lang sich den heftigsten See winden, noch dazu in ungünstiger Jahreszeit, ohne viel Bewegung aussetzt, gedeiht ebenso gut, ja noch besser als der Binnenländer. Wie würde es mit demselben bestellt sein, wenn er ebenso an Temperatur abnähme, wie die arme, wassergefüllte Wärmflasche am Strande!
Der Unterschied ist nur, daß in den verschiedenen Klimaten die Kleidung äußerst verschieden ist, und hierin liegt der Kardinalpunkt, der für die Badegäste sehr wichtig ist. Alle Insel und Küstenbewohner, sowie Schiffer gehen stets, auch im Sommer, mit dicken Wollhemden, resp. auch noch Wolljacken oft zwei übereinander gezogen (also schlechten Wärmeleitern) und setzen sich so, unbeschadet ihrer Gesundheit, tage-, wochen- und monatelang, fast ununterbrochen den Seewinden aus. Sollte dies nicht ein Wink für die Badegäste sein? In der That, nach unserer Ansicht ist es absolut erforderlich, daß die Badegäste sich mit nicht zu dünnen Wollstoffen umkleiden, um eine zu rasche Wärmeabgabe von der Haut aus zu verhindern. Dann mögen dieselben sich nur, sofern sie nicht allzu schwächlich sind, unbeschadet den heftigsten Seewinden nicht in homöopathischen, von den Badeärzten verschriebenen Dosen, sondern uneingeschränkt den ganzen Tag aussetzen, und sie werden die vorzüglichste Wirkung an sich verspüren. Wir haben uns gelegentlich unseres mehrmaligen Aufenthaltes in Sanct-Peter an uns selbst und anderen (die sich für ein Nordseeklima passend zu kleiden verstanden) hiervon überzeugt. Zu welchen Absurditäten diese, an dem Schreibtisch ausgeheckten Experimente von Leuten, die nicht im Nordseeklima leben, führen, zeigt uns Professor Beneke, der in seiner sonst sehr lesenswerten Schrift (Die sanitäre Bedeutung des verlängerten Aufenthaltes auf den deutschen Nordseeinseln 2c. 2. Auflage. 1886)· Seite 70 -71 allen Ernstes sagt: »Also umgekehrt wie im gewöhnlichen Leben soll der einigermaßen Widerstandsfähige draußen den Überrock ablegen, im Zimmer oder an einem geschützten Platze dagegen denselben benutzen.«
Was würde wohl einer unserer Nordseeschiffer hierzu sagen. Ich glaube, er würde bedächtig den wettergebräunten Kopf schütteln und, auf seinem geliebten Plattdeutsch sagen! »He is wol nich von de Nordsee her.« Solchen Unsinn bringt auch nur ein deutscher Binnenlandsprofessor hervor - bei den seeerfahrenen Engländern wäre dies nicht denkbar - doch, de mortuis nihil, nisi bene, verdanken wir doch gerade Beneke die besten Arbeiten über die Nordseebäder. Somit sei ihm diese kleine Absurdität verziehen. Wir aber sagen: Gehörige wollene Unterkleidung, wasserdichte Stiefel, gutes wollenes Überzeug und, wenn nötig, Überzieher oder Regenrock und dann hinaus an den Strand, bei jeglichem Wetter, solange es einem behagt! Man wird die günstige Wirkung bald an sich verspüren!
Zur Beurteilung der Frage, ob und wie viel Wärme wirklich durch die Einwirkung der Seewinde dem menschlichen Körper, resp. der Haut entzogen wird, mußte man doch eine andere, wissenschaftlichere, am Menschen selbst geübte Methode, verfolgen und hat es uns Wunder genommen, daß hierüber bis jetzt keine Aufzeichnungen in den vielen Schriften über die Nordseebäder vorhanden sind. Man müßte doch durch Einlegung des Thermometers in die Achselhöhle, resp. in den After, die Wärmegrade der Haut, resp. des Körpers vor, während und nach der Einwirkung der Seewinde, zu verschiedenen Zeiten und nachdem man verschieden lange sich denselben ausgesetzt hat, direkt messen, und man würde sicherlich zu anderen Resultaten gelangen, als die durch die Wärmflasche gewonnenen sind. Sind diese Versuche denn so schwierig? Man sollte denken, die das ganze Jahr in den Nordseebädern lebenden Badeärzte hätten Gelegenheit und Muße genug hierzu und könnten diese ja am besten an sich selbst vornehmen. Es sollte uns freuen, wenn wir hierzu die Anregung böten; die kleine Mühe würde sich durch die gewiß interessanten Resultate reichlich lohnen!
Die Seeluft hat durchschnittlich, der Landluft gegenüber, einen 5 mm höheren Luftdruck und enthält auch etwas mehr Sauerstoff. Beiden Umständen, obschon gewiß die heilkräftige Wirkung der Nordseeluft unterstützend, legen wir jedoch keine wesentliche Bedeutung bei. Anders ist es mit dem höheren Ozongehalt der Seeluft (im Vergleich zur Landluft 6,2 : 4,5 Proz.), welche gewiß eine sehr günstige örtliche Wirkung, besonders auf die Schleimhaut der Atmungsorgane äußert, doch fehlen hier noch genauere, wissenschaftliche Untersuchungen.
Endlich erübrigt uns noch eine Besprechung des Salzgehaltes der Seeluft, ein Punkt, worüber bis in die neueste Zeit viel gestritten, viel geschrieben und wenig Thatsächliches zu Tage gefördert worden ist. Es hat für die Laien wenig Erquickliches, diesen gelehrten Streitigkeiten zu folgen, doch wegen der Wichtigkeit der Sache ist es nötig, unsere Ansicht hierüber kurz darzulegen. Bei Durchlesung der verschiedenen Arbeiten hierüber (in neuester Zeit noch Friedrich, sehr ausführlich) hat es mir geschienen, als hätte man um des Kaisers Bart gestritten, und uns ist immer wieder das Wort im Faust eingefallen: »Was Ihr nicht wägt, hat für Euch kein Gewicht, was Ihr nicht meßt, das, meint Ihr, wäre nicht« Wenn man einen Schiffer an der Nordsee fragen wollte, ob die Luft salzhaltig am Strande sei, würde er plattdeutsch antworten: »Dat kann man jo smecken.« In der That, man schmeckt denselben deutlich. Ich habe mich hiervon auf das unzweideutigste selbst überzeugt. Bei frischen Westwinden habe ich am Sanct-Peter Strande, an welchem allerdings, wegen der Länge und der vielen Brandungen viel Wassergischt entsteht, die salzige Luft sozusagen deutlich geschmeckt und viele andere, besonders Damen, die einen feineren Geschmack wegen des Nichtrauchens haben, desgleichen.
Freilich rühme ich mich, als Nichtraucher, eines sehr feinen Geschmacksinnes. Ebenso habe ich deutlich das Dünengras in einer Entfernung vom Strande, bis wohin die See beim höchsten Wasserstande nicht reicht, von salzigem Geschmack befunden. Und doch ist auch der Regen an der See nicht salzig, also muß es doch wohl die Luft gethan haben. Ferner hat meine an Lungenkatarrh leidende Frau, die nicht kalt badet, schon nach ein bis zwei Tagen jedes Mal an der See in Sanct-Peter deutlich salzigen Geschmack beim Auswurfe gespürt, ähnlich wie nach dem Einatmen von Kochsalzlösungen, und sie hat mir dies unaufgefordert gesagt. Woher kommt es denn, daß man sogleich an der Nordsee einen brennenden Durst verspürt, obschon die Luft, wie wir gesehen, einen sehr hohen Feuchtigkeitsgehalt besitzt, anders als durch den Salzgehalt der Luft. Dieses sind einem jeden zugängliche, leicht zu beobachtende Thatsachen, die alle negativ angestellten chemischen Untersuchungen nicht aus der Welt schaffen, auch nicht die Sanct-Peter angestellt hat. Mir sind diese übrigens sehr erklärlich, und sie werden stets negativ bleiben. Der Kardinalpunkt, warum es sich hier handelt, ist, daß der Salzgehalt der Luft nicht chemisch, sondern mechanisch beigemischt ist, also auch nicht chemisch, sondern nur mechanisch, wenn ich mich so ausdrücken darf, nachweisbar und auch schon nachgewiesen worden ist. Es ist dies ein Versuch, den ein jeder, der im Besitze eines Mikroskopes ist, nachmachen kann. Schon Wiedasch (Das Nordseebad. Hannover 1858) und gleichzeitig Riefhohl (Die Insel Norderney. 1. Aufl. 1858) setzten Glasplatten der Strandluft aus, und nach rascher Erwärmung derselben zeigten sich unter dem Mikroskope deutlich die durch Verdunstung entstandenen Kochsalzkristalle. Der Versuch ist vielfach nachgemacht und stets geglückt.
Daß durch die Verdunstung von Meerwasser eine Verflüchtigung des Kochsalzes in die umgebende Luft stattfinden könne, daran glaubt wohl kein chemisch Geschulter, und dies hat auch Riefhohl, wie aus seinen Arbeiten ersichtlich, keineswegs geglaubt. Der Salzgehalt der Seeluft entsteht lediglich durch Zerstäubungen des Meerwassers, infolge der Brandungen und des Wogenschwalls und wird durch die Seewinde, die fast immer zur Kurzeit herrschen, bis auf eine gewisse Entfernung vom Strande und bis zu einer gewissen Höhe in fein zerstäubter Form fortgeführt.
(Hieraus folgt auch, dass die Lage des Kurhotels oben auf hohen Dünen, wie beispielsweise in Wittdün auf Amrum von gesundheitlichem Standpunkte keineswegs zu loben ist.)
Man kann sich hiervon leicht überzeugen, wenn man bei etwas seitlich auf eine starke Brandung fallendem, hellem Sonnenlicht diese beobachtet. Man sieht dann deutlich die feinzerteilten Wasserteilchen der See in der Luft suspendiert. Es ist dies derselbe Vorgang wie bei einer Inhalationsmaschine, nur daß hier der Dampf bewirkt, was dort durch Wind und Strömung erzeugt wird. Man könnte daher die Brandungen die Inhalationsmaschinen der See nennen. Wenn man nun diese, durch feuchte Wasserteilchen geschwängerte Luft, wie dies bei den meisten chemischen Nachweisungsversuchen geschehen ist, erst durch allerhand Aspiratoren, Glasretorten 2c. streichen läßt, schlagen sich diese natürlich an dem Apparate nieder, und die berühmte Höllensteinlösung will sich nicht trüben!
Daß der Salzgehalt der Luft nichts weiter als feinzerstäubtes Meerwasser ist, das scheint mir für die Heilkraft der Seeluft, zumal bei an Katarrhen der Luftwege und des Rachens Leidenden, viel vorteilhafter zu sein, als wenn der Salzgehalt der Luft chemisch beigemengt wäre. Wir sehen schon bei Kochsalzinhalation die tags über während fünf Minuten gemacht werden, bei obigen Erkrankungen einen günstigen, lösenden Einfluß, wie vielmehr wird dies am Nordseestrande, wo wir fast ständig Kochsalzinhalationen im großen genießen, der Fall sein! Die Erfahrung bestätigt dies, und ich schiebe die fast souveräne Wirkung der Nordseeluft diesen Katarrhen gegenüber zum großen Teile auf diese Inhalation des zerstäubten Meerwassers, wie dies der sogleich an der See salzig schmeckende Auswurf beweist. Hieraus folgt, daß für diese Kranken jene Seebäder am besten sind, wo das meiste Seewasser zerstäubt wird. Dies ist naturgemäß da der Fall, wo der Strand am längsten, die meisten Brandungen vorhanden und der Wind am stärksten ist. Daß an dem eine Meile langen, an der offenen See liegenden Strande von Sanct-Peter mit den vielen Brandung erzeugenden vorlagernden Sandbänken und bei den fast stets frischen westlichen Seewinden, welche die von Süd nach Nord laufende Küste meist rechtwinkelig treffen, diese Zerstäubung des Meerwassers eine beträchtliche sein muß, liegt auf der Hand, und hierin steht Sanct-Peter wohl schwerlich einem andern Nordseebade nach.
Aus dem Dargelegten folgt auch, daß die an Katarrhen der Luftwege Leidenden möglichst viel sich in der Nähe des Strandes und der Brandungen aufhalten müssen und besonders bei frischen Winden; wogegen allerdings nur zu oft gefehlt» wird. Gut und warm in Wolle und, wenn nötig in Überrock oder Regenmantel gehüllt, wird denselben dies nicht nur nicht schaden, sondern von erheblichem Vorteil sein und ihr Leiden, wenn auch nicht heilen, so doch bedeutend bessern und auf längere Zeit verschwinden machen.
Aus diesen soeben erörterten Eigenschaften der Seeluft setzt sich die Heilwirkung des Seebades, speziell des Nordseebades in der Hauptsache zusammen. Daß wir hierbei der Wirkung der kalten Seebäder eine nur untergeordnete Rolle angewiesen haben, ist bereits gesagt worden. In der That, man nehme den Nordseebädern ihre Seebäder, und ihre Heilwirkung bleibt unangetastet stehen. Möchte diese Anschauung, die sich auch unter den Ärzten immer mehr Bahn bricht, auch bei dem Publikum sich durchringen. Dann würde auch endlich die Manie fallen, den Wert eines Nordseebades nach der Stärke des Wellenschlages zu beurteilen. Für uns ist diese Eigenschaft eines Seebades von sehr zweifelhaftem Werte und eher geeignet, in unseren Augen hierdurch zu verlieren. Man wolle bedenken, daß ein wellenbewegtes Nordseebad von durchschnittlich 12 - 150 R. bei einer Körpertemperatur von 37° C. einen gewaltigen shok auf den Organismus ausübt, den zu verarbeiten unser heutiges blutarmes, nervöses und katarrhalisches Badepublikum sich wenig gewachsen zeigt. Das kalte Seebad wirkt auf die Haut nicht nur wärmeentziehend, sondern übt auf die Nerven derselben durch die Kälte und den mechanischen Anprall infolge des Wogenschwalls einen gewaltigen Reiz aus, der bis zu den Zentralnervenorganen dem Gehirn und Rückenmark nachklingt. Das von der Haut vertriebene Blut strömt nach den inneren Organen, eine größere Blutfülle derselben bewirkend und diese, besonders Herz und Lungen, wenn sie durch Krankheiten gelitten, mit Blutungen bedrohend. Sowie man das Bad verlassen hat und die Reaktion der Haut eingetreten ist, strömt das Blut mit vermehrter Kraft wieder in diese und bewirkt eine zeitweise Verminderung der Blutfülle der inneren Organe, bis die Blutwellen allmählich sich wieder beruhigen und der durch den starken Hautreiz sich bis zum Gehirn und Rückenmark fortpflanzende bedeutende Nervenreiz allmählich wieder abklingt. Auf jede starke Erregung folgt aber nach physiologischem Gesetze eine Ermattung, und diese bedeutet, wie der Engländer sich ausdrückt: (a loss of nervous power,« eine Einbuße an vitaler Kraft! Daher fühlt man sich nach dem Seebade, nachdem das Reaktionsstadium vorüber, müde und oft ermattet. Eine kräftige, gesunde, widerstandsfähige Natur allerdings überwindet diesen Angriff auf seine vitale Kraft und hat die Fähigkeit, den Verlust an derselben alsobald wieder zu ersetzen. Etwas anderes jedoch ist es mit einem Organismus, dessen nervöse Kraft geschwächt, dessen Blut qualitativ und quantitativ minderwertig und dessen Reaktionsvermögen nur gering ist. Diese vertragen diese Eingriffe in ihre Rechte nicht besonders gut und bleiben darob mehr oder minder lange Zeit verstimmt.
Leider bilden derartig beschaffene Organismen jetzt die Mehrzahl unter den die Nordseebäder besuchenden Badegästen. Diejenigen aber, welche den Genuß eines wellenbewegten Seebades nicht gerne entbehren mögen, müßten zum mindesten, um dies ohne Schaden durch führen zu können, in bezug auf den Badeort, die Jahres- und Tageszeit, zu welcher sie baden wollen, sich das Günstigste heraussuchen. Wenn Friedrich (Deutsch. Mediz.-Ztg. 1888 Nr. 47) meint, daß die Nordseebäder mit langvorgestrecktem Sandstrande, wie Wyk, Sanct-Peter und Büsum, nicht, wie diese von sich mit Recht rühmen, einen höheren Temperaturgrad am Badestrande haben und dies aus aprioristischen Folgerungen ableitet, so ist dies auch eine der von Binnenlandsgelehrten aufgestellten Schreibtischtheorieen, welche von den Thatsachen hundertfach widerlegt werden und jedem an der See Lebenden geläufig sind.
Wir haben uns während unseres dreimaligen Aufenthaltes in Sanct-Peter hiervon auf das unzweideutigste überzeugt und gefunden, daß, zumal an sonnigen, windstilleren Tagen, die Temperatur am Badestrande, von der Badekarre bei Fluthöhe ausgemessen, um mehrere Grade, oft bis zu 4° - 5° R., über der Wassertemperatur des offenen Meeres liegt. Diejenigen «Binnenlandsgelehrten, die hieran zweifeln, laden wir freundlichst ein, sich in dem noch nicht für voll angesehenen Nordseebade Sanct-Peter gütigst hiervon überzeugen zu wollen. Wir erinnern uns eines schönen Septembertages im Jahre 1891, wo die Wassertemperatur, von der Badekarre bei Fluthöhe gemessen, 20° R. betrug; sowie man jedoch einige hundert Schritt weiter auf den flachen Strand ins Meer ging, merkte man sofort eine bedeutende Abkühlung, und das Thermometer zeigte 15° bis 16° R., also eine Differenz von 4° - 5°.
Wir sind überzeugt, daß am selben Tage, zur selben Zeit in Sylt mit seinem steil abfallenden Strande die Temperatur nicht höher als die zuletzt gemessene, welche die Temperatur des offenen Meeres anzeigt, war. Solche Differenzen sind aber in Sanct-Peter keineswegs Ausnahmen, sondern für sonnige, wind stillere Tage geradezu die Regel. Sowie jedoch der Himmel bedeckt ist und ein frischerer Seewind mehr das Wasser durchwühlt und mit einander vermengt, verschwinden diese, bis auf geringere Unterschiede von 1° - 2°. In diesem Umstande liegt auch zugleich die Erklärung, warum die Messungen so verschieden ausfallen. Bei windstilleren, sonnigen Tagen, zumal wenn die Hochflutzeit, welche in Sanct-Peter auch die Badezeit ist, in die Nachmittagsstunden fällt, wenn die Sonne bereits längere Zeit auf das freiliegende Watt geschienen und dieses erwärmt hat, werden mit anrückender Flut zunächst die oberen, wärmeren Wasserschichten des offenen Meeres langsam auf das erwärmte Watt getrieben und in dem Maße, wie sie dasselbe, allmählich steigend, bedecken, von diesem durch Wärmeabgabe gradatim aus einen höheren Temperaturgrad gesetzt, als sie im offenen Meere hatten. Diese wird noch durch Strahlung der Sonne durch die dünne Wasserschicht nicht unwesentlich erhöht. Man kann sich von letzterem überzeugen, wenn man die Temperatur in den sogenannten Prielen, Wasseradern, die in direkter Verbindung mit dem Meere stehen, bei der Flut in kurzen Zeiträumen mißt. In dem Maße, wie die Flut andringt, steigt auch die Temperatur in diesen Prielen und nimmt schließlich noch einen 1° - 2° höheren Wärmegrad an, wie von den Badekarren aus gemessen. Es gehört keineswegs zu den Seltenheiten, daß man hier 21° - 22° R. Wasserwärme hat. Auf diese Weise wird erreicht, daß die Temperatur des Wassers am Badestrande schließlich einen um 4° - 5° höheren Stand hat als im offenen Meere. Dieses ist jedoch, wohlgemerkt nur an sonnigen, windstilleren Tagen in diesem Maße der Fall und wird sehr wesentlich noch von der Tageszeit, in welcher gemessen wird, beeinflußt. Dieser von dem Badepublikum und auch von den Ärzten viel zu wenig beachteter Punkt ist für die Badegäste jedoch von größter Wichtigkeit. Je mehr die Jahreszeit vorschreitet, je kühler die Nächte werden, um so größer ist die Differenz der Wassertemperatur zu den einzelnen Tageszeiten. Am frühen Morgen ist diese am niedrigsten und erreicht, unter dem erwärmenden Einfluße der Sonnenstrahlen, die besonders, wie wir gesehen, auf mit flachem Strande versehene Küsten zu vollen Geltung kommen, bis kurz vor Sonnenuntergang ihr Maximum. Dann ist das Meerwasser am wärmsten. Der Unterschied aber zwischen Morgentemperatur und Abend-, resp. Spätnachmittagstemperatur beträgt an sonnigen, nicht zu windigen Tagen oft 3° - 4°, wenigstens in Sanct-Peter, wovon ich mich wiederholt überzeugt habe. Aus diesen Gründen haben auch die in den Badeschriften, z. B. von Hiller angegebenen Temperaturmessungen der See für die Badegäste gar keinen Wert. Bei derartigen Messungen müßte berücksichtigt werden: Jahreszeit, Tageszeit, Entfernung vom Strande, Tiefe des Wassers, ob bedeckter Himmel oder Sonnenschein, Windstärke, endlich Beschaffenheit des Strandes. Solche Messungen, die in allen Nordseebädern zugleich, zu den gleichen Tageszeiten, unter Angabe dieser Verhältnisse gemacht würden, könnten erst ein richtiges Bild über die Temperaturverhältnisse des Meerwassers an der deutschen Nordseeküste geben, und diese fehlen leider noch bis jetzt. Daß jedoch die Unterschiede zwischen den Bädern mit flachem Strande, wie Sanct-Peter, Wyk und Büsum, und den mit steilabfallendem, wie Sylt, keineswegs geringfügige sein müssen, ist mir keinem Zweifel unterworfen. Wir haben im September 1891, der allerdings ausnahmsweise sonnig und warm war, in Sanct-Peter Nachmittagstemperaturen am Strande von 17°- 20° R. keineswegs selten gefunden, Temperaturen wie sie vielleicht auch zu gleicher Zeit in Wyk und Büsum, aber nicht in Sylt in dieser Jahreszeit gemessen werden. Dafür bürgt mir die beobachtete rasche Abnahme der Temperatur in nur geringer Entfernung vom Strande, noch in einer Wasserhöhe, bei welcher in Sylt gewöhnlich gebadet wird.
Aus dem soeben dargelegten sehr wichtigen Verhalten der Seewasserwärme folgt aber die sehr wichtige Baderegel: »Daß nervöse, blutärmere Personen, sofern sie der Erquickung eines wellenbewegten Seebades nicht entbehren wogen, sich ein Nordseebad mit flachem Strande wie Wyk, Sanct-Peter und Büsum wählen sollten, an den Nachmittagen und Abenden, bis kurz vor dem Abendessen zu baden und sich nur die sonnigen, windstilleren Tage auszusuchen.« - Da an diesen Tagen nur bei mit der Tageszeit wechselndem Hochwasser gebadet wird, ist dies sehr wohl möglich. Über diejenigen Tage, in welchen die Hochflut morgens und vormittags fällt, brauchen sie sich wegen Wegfalls des Seebades nicht besonders zu grämen. Der Erfolg ihrer Badekur wird hierdurch nicht in Frage gestellt und büßt nichts von seiner Wirksamkeit für sie ein, würde jedoch eher durch zu häufige Wiederholung der Seebäder bei kälterer Temperatur verlieren. Wir sind uns sehr wohl bewußt, daß dieser ärztliche Ratschlag vorzugsweise in den Nachmittagsstunden zu baden, nicht nach dem Geschmacke der meisten Badegäste ist und mit der gesellschaftlichen, leider mächtigeren Regel, kollidiert. Man will am Nachmittage in voller Toilette Strandpromenaden machen, Ausflüge arrangieren, Skat spielen und sich gegenseitig beklatschen, wie hätte man da Zeit, Seebäder zu nehmen!
Daher wird in den Bädern, die nicht von der Flut abhängig sind, wie Sylt, Norderney, Helgoland, meist morgens gebadet; ja das Amrumer Kurhotel hat mit großen Kosten eine lange Brücke über den Kniepsand gebaut, um dieser Modethorheit entgegen zu kommen. Man hat dieses Geschäft dann abgemacht und rechnet nicht daraus, ob man durch ein kühles Morgenbad sich vielleicht den ganzen Tag verdirbt, abgespannt und müde ist!
«Denjenigen aber, welche sich nicht entschließen können, den Nachmittag zum Baden herzugeben und die sich keiner besonders kräftigen Konstitution erfreuen, geben wir den wohlmeinenden Rat, dann lieber gar nicht kalt zu baden (höchstens morgens warm), und sie werden vielleicht an Gesundheit reicher von ihrer Badereise heimkehren. Denn an der Nordsee thut es nicht das Wasser, sondern die Luft!
Daß jedoch in den Nordseebädern mit flachem Strande der Salzgehalt des Wassers durch Verdunstung auf den großen, freiliegenden Watten kein wesentlich höherer ist, als in offener See, geben wir mit Friedrich unumwunden zu, obschon das Gegenteil oft in Badeprospekten zu lesen ist. Wenigstens beeinflußt dieser etwaige höhere Salzgehalt der See in den Watten die Wirkung der Seebäder nicht im geringsten, wie denn überhaupt dem Salzgehalte des Meerwassers ein nur geringer Anteil in der Wirkungsweise der kalten Seebäder zuzuteilen ist.
Im übrigen wollen wir gerne anerkennen, daß die kalten Seebäder für den, der sie verträgt, gewiß zur Kräftigung und besonders zur Abhärtung des Körpers gegen Erkältungsreize beitragen, daß aber auch dieses in viel höherem Maße in dem windbewegten Seeluftbade, dem man sich viel länger aussetzt und so viel wie möglich aussetzen sollte, erreicht wird. Eine viel größere Rolle in den Heilpotenzen der Nordseebäder als den kalten Seebädern teilen wir den warmen Seebädern zu, und es ist bedauerlich, daß in dein Publikum und auch bei vielen Ärzten sich diese Erkenntnis noch nicht durchgerungen hat. Aber die Zeit dürfte nicht mehr sehr ferne sein, wo mit der zunehmenden allgemeinen Verweichlichung die warmen Seebäder eine immer dominierendere Stelle einzunehmen berufen sind.
Schon bricht sich diese Erkenntnis immer mehr Bahn, schon besitzen fast alle größeren Nordseebäder gut eingerichtete Warmbadehäuser, und wenn die Hotelbesitzer der kleineren ihren Vorteil verstehen, werden dieselben bald nachfolgen müssen. Hiller sagt sehr richtig: »Meiner Ansicht nach haben auch nach dieser Richtung hin die deutschen Seebäder noch ein weites und dankbares Feld ihrer Vervollkommnung. Sie werden einen wirksamen Wettbewerb nicht nur mit den Kaltwasserheilanstalten, sondern auch mit den Soolbädern antreten können.« In der That, die warmen Seebäder sind, wie Hiller richtig bemerkt, streng genommen nichts anderes wie Soolbäder. Diejenigen der Nordsee, deren 3 1/3 Proz. Kochsalzgehalt durch die bei der Erwärmung, durch Verdunstung des Wassers, entstehende Konzentration noch vermehrt wird und durch Verlängerung der Erwärmung noch gesteigert werden kann, gleichen schon den mittelstarken und starken Soolbädern. Über den Wert der warmen Festlandssoolbäder sind Ärzte und Publikum sich völlig einig, und ihre Heilwirkung wird oft in übertriebener Art ausposaunt. Warum will das Publikum und oft auch der Arzt sich nicht gewöhnen, die jenen gespendeten Lobeserhebungen auf die warmen Seebäder zu übertragen, die doch in Wirklichkeit nichts anderes sind wie kräftige Soolbäder. Auch in diesen Dingen, wie so oft, ist leider die Mode allmächtig und erweist sich stärker als Gründe und Thatsachen. Im Gegensatz zu den kalten Seebädern werden die warmen von 24° - 28° R. ausnahmslos von allen vertragen, Kindern und Greisen, und üben auf das erregte Nervensystem eine wunderbar beruhigende Wirkung. Kein souveräneres Mittel gibt es gegen die nervöse Schlaflosigkeit als tagsüber Strandluft bei mäßiger Bewegung und abends vor dem Abendessen ein warmes Seebad! Gleich allmächtig erweist dasselbe sich in Verbindung mit der Seeluft bei den skrophulösen Ablagerungen der Kinder und allen Formen der weit verbreiteten Nervenschwäche, der Neurahstesie. Wir übergehen hier die Erörterung der Faktoren, aus denen sich die Wirksamkeit der warmen Seebäder zusammensetzt, als wohl jedem Gebildeten ziemlich geläufig, und verweisen auf die vielen Badeschriften über Soolbäder, indem das dort Gesagte auf diese ohne weiteres anwendbar ist.
Auch in Sankt-Peter sind ja schon in den dortigen Hotels, ja selbst bei Lehrer Cornils in Ording, Vorrichtungen für den Gebrauch der warmen Seebäder getroffen, wenngleich dieselben teilweise noch etwas unvollkommen sind. Wir bezweifeln aber nicht, daß mit dem stetig zunehmenden Badeverkehr auch die Vervollkommnung der Warmbadevorrichtungen, die ja gerade für Sanct-Peter als einem Erholungs- und nicht einem Vergnügungsbade von besonderer Wichtigkeit sind, gleichen Schritt halten werde.
Es erübrigt uns noch, die Frage kurz zu erörtern, bei welchen Schwächezuständen resp. Krankheiten der Gebrauch der Nordseebäder speziell Sanct-Peters angezeigt ist. Wir er widern, daß alle diejenigen, deren Konstitution durch anstrengende Arbeit, durch chronische, nicht fieberhafte Krankheiten geschwächt war oder noch ist, in den Nordseebädern, speziell in Sanct-Peter, wegen der Ruhe und Abgeschlossenheit dieses Bades, sicherlich, wenn auch nicht immer dauernde Heilung, so doch wesentliche Besserung finden werden, und dieses mehr als in irgend einem andern Bade des Kontinents.
Allgemein anerkannt ist wohl jetzt die vorzugsweise günstige Wirkung der Nordseebäder bei dem Heer der skrophulösen und tuberkulösen, nicht fieberhaften Erkrankungen. Wir haben dies in eigener Familie in Sanct-Peter bei unserem dreimaligen Aufenthalte dort mit freudiger Überraschung in vollstem Maße bestätigt gefunden und bewahren daher diesem Bade unsere große Anhänglichkeit. Gewöhnlich hat der Arzt bei derartigen Kranken, besonders die sehr schwächlich sind, mit der Voreingenommenheit dieser und ihrer Angehörigen zu kämpfen. Man begegnet immer wieder der Gegenfrage, ob ein Nordseebad nicht zu stark und viel mehr ein Ostseebad nicht zu empfehlen sei. Ja selbst von einigen Kollegen, die nicht Gelegenheit hatten, die Nord- und Ostseebäder aus eigener Anschauung kennen zu lernen, wird diese Ansicht geteilt. Wenn man kränklichen, tuberkulösen Personen ein Nordseebad empfiehlt, so kommt hier ausschließlich das Nordseeklima in Betracht, indem als selbstverständlich vorausgesetzt wird, daß nicht kalt, höchstens warm gebadet wird. Das Nordseeklima aber ist, so sonderbar es auch dem Binnenländer klingt, ein milderes als das Ostseeklima, und besonders milder für Tuberkulöse. Vergegenwärtige man sich, daß die herrschenden Winde der Badesaison fast ausnahmslos westliche sind. In den Nordseebädern weht also beständig die feuchte, Salz gespeicherte, gleichmäßige, warme Seeluft; in den Ostseebädern wird diese dadurch, daß sie ein mehr oder weniger breites Land passieren muß und viele Unreinlichkeiten desselben mit sich fortführt, zum kälteren, trockenen, fast ohne Salzgehalt befindlichen Landwinde, welcher den Tuberkulösen nicht gut bekommt. Die Ostwinde, welche an den Ostseebädern die Seewinde sind, selten wie sie zur Badezeit bestehen, sind aber schon an und für sich trockner und kälter und sind Tuberkulösen keineswegs dienlich.
Hinzu kommt noch der gleichmäßige erwärmende Einfluss des Golfstromes, der wohl den Nordsee-, aber nicht den Ostseebädern zugute kommt. Man vergegenwärtige sich, daß beispielsweise Helgoland eine höhere Durchschnittswärme besitzt als Bozen Meran und Montreux, daß hier die Feige und die Maulbeere zur Reife gelangt, und in Wyk und Norderney der Lorbeer im Freien gedeiht und überwintert, Thatsachen, die wohl nicht jedem Binnenländer geläufig sind, - und daß mit den übrigen Nordseebädern auch Sanct-Peter diese Milde und Gleichmäßigkeit gemein hat, wie die beigegebenen Temperaturtabellen von Ording während der Herbst und Wintermonate erkennen lassen. Der Umstand, daß die Winde in den Nordseebädern heftiger als in den Ostseebädern wehen, ist kein Nachteil, eher ein Vorteil. Dieselben, da sie Seewinde sind, werden ausnahmslos gut vertragen, ermöglichen eine raschere Verdunstung der Hautausdünstungen und sind besonders bei fötidem Auswurfe außerordentlich wirksam. Es wird gewissermaßen eine ausgiebigere Ventilation der Lunge erzielt, indem dieselbe zu tieferen Inspirationen angeregt wird. Die Ostseebäder können also in keiner Weise hierein mit den Nordseebädern konkurrieren und nehmen diesen gegenüber, wie Braun ganz richtig in seiner Balneotherapie erwähnt, nur den Rang von Sommerfrischen ein. Ich will bei dieser Gelegenheit erwähnen, daß es eine bekannte, statistisch erhärtete Thatsache ist, daß bei den Küstenbewohnern der Nordsee die Tuberkulose selten ist und mit der Entfernung von der Nordseeküste zunimmt. Schon Feddersen sagte in seiner Beschreibung Eiderstedts: »Andere Übel, besonders Brustübel und Auszehrung sind hier weniger häufig, als auf der den kalten Ostwinden mehr ausgesetzten höheren Gegend und auf der Ostseite des Herzogtums.« Es würde sich daher auch Sanct-Peter und noch besser seiner geschützten Lage wegen Ording zu verlängertem Aufenthalte und auch zur Überwinterung eignen und hat auch schon Erfahrungen hierüber aufzuweisen. Wir haben bereits erwähnt, daß in den letzten Jahren in dem Hotel »Wilhelminenhöh,« welches sich wegen seines soliden, massiven Baues mit guten Heizvorrichtungen seiner geschützten Lage und seiner geschlossenen Veranda wegen hierzu besonders eignet, fast stets bis gegen Weihnacht noch einzelne Gäste·(besonders Kehlkopf-, Nerven- und Lungenkranke) mit bestem Erfolge sich hier aufgehalten haben.
Auch in Ording, welches seiner geschützten Lage wegen hinter Deich und Dünen, und doch hart an der See, fast noch mehr in dieser Beziehung zu empfehlen wäre, würde man bei dem Lehrer Cornils und dem Gastwirte desselben Namens·recht passendes, freundliches, warmes Winterquartier·finden.
Um einen Überblick über die Häufigkeit der Todesfälle durch Lungentuberkulose unter den Einheimischen an der See bei Sanct-Peter zu gewinnen, habe ich den Lehrer in Ording, Herrn Cornils, veranlaßt, mir aus den Standesamtsregistern die Todesursachen für die Gemeinden Sanct-Peter und Ording mit zusammen fast 1000 Einwohnern, als besonders hierfür geeignet, zusammen zu stellen, für den Zeitraum von 1874 an, seit welcher Zeit derselbe hier weilt und alle Einwohner in den beiden Gemeinden persönlich kennt. Wir lassen ihn selbst reden.
1874 3 Todesfälle; 1 Todesfall an Lungentuberkulose.
»Dieser betraf eine 25jährige Ehefrau aus Sanct-Peter, welche mit ihrem Ehemanne von der Geest aus dem Schleswigschen (Gettorf), hierher gezogen war und schon krank hier ankam.« Dieser Fall ist also, weil eingeschleppt, nicht zu rechnen.
1875 15 Todesfälle.
»Unter diesen ein 29 Jahre alter Schmiedegeselle aus Sanct-Peter, der, beim Militär von einem Pferde vor die Brust geschlagen, so allmählich hinsiechte. Man sagte, er habe die Schwindsucht gehabt, bestimmt wissen wir es nicht.« Der Umstand, daß dieser beim Militär gewesen, spricht wohl am besten dafür, daß derselbe anfänglich gesund war, und wahrscheinlich durch den Schlag vom Pferd eine innere Verletzung der Lunge oder des Rippenfells erhalten, die später zu chronischer, tödlicher Entzündung eines dieser oder beider Organe führte. Auch dieser Fall kann nicht, als durch Verletzung unzweifelhaft entstanden, gerechnet werden.
1876 16 Todesfälle, darunter kein Todesfall an Lungentuberkulose.
1877 10 Todesfälle und desgleichen keiner an Tuberkulose.
1878 18 w.o.
1879 18 w.o.
1880 17 Todesfälle, darunter ein fraglicher und ein sicherer Fall von Tuberkulose.
»Der erste Fall, im Jahre 1880, betrifft ein Mädchen aus Ording von 23 Jahren. Meiner Meinung nach starb sie nicht an Lungenschwindsucht, sondern an Lungenentzündung, war acht bis neun Tage sehr heftig krank und starb dann. Von dem zweiten, einer Ehefrau aus Sanct-Peter von 52 Jahren wissen wir bestimmt, daß sie an Kehlkopfschwindsucht starb. Kinder waren nicht vorhanden.« Dieses ist also der erste und, wie wir leicht im voraus bemerken wollen, einzige sichere Fall von Tuberkulose, der zu rechnen ist.
1881 26 Todesfälle, keiner von Tuberkulose (Diphtheritis Epidemie im Februar bei furchtbarer Kälte und beständigem Ostwind).
1882 11 Todesfälle, keiner von Tuberkulose
1883 12 w.o.
1884 21 w.o.
1885 18 Todesfälle, darunter an Tuberkulose eine 28jährige Arbeitersfrau.
»Die im Jahre 1885 in Sanct-Peter an Tuberkulose verstorbene Arbeitersfrau war im Brandenburgischen geboren und mit einem hier gebürtigen Gardisten von Berlin im Jahre 1884 herübergekommen und damals schon an der Krankheit leidend. Ein Kind ist vorhanden, lebt und ist anscheinend ganz gesund.« Auch dieser Fall also ist, als eingeschleppt, nicht zu rechnen.
1886 19 Todesfälle, keiner von Tuberkulose.
1887 16 w.o.
1888 18 w.o.
1889 9 w.o.
1890 10 w.o.
1891 10 w.o.
Also unter 257 Todesfällen in 17 Jahren, von 1874 -1891, nur ein sicherer, nicht eingeschleppter Fall von Tuberkulose, welches fast einer absoluten Immunität gleichkommt und viel günstiger ist, als die von Professor Beneke zu sammengestellte Statistik von Norderney in welcher er die ziemlich hohe Summe von 6,60 Proz. Todesfällen an Tuberkulose in 14 Jahren fand. Ording selbst mit 42 Todesfällen in 17 Jahren bei einer Seelenzahl von durchschnittlich 160 hat in dieser Zeit keinen sicheren Fall von Tuberkulose aufzuweisen.
Ausgefallen ist mir auch die geringe Sterblichkeit während der Influenzajahre von 1889 -1891, die, dem Vorjahre gegenüber, kaum halb so groß ist. Die Influenza, die allerdings auch hier etwas herrschte, scheint also keinen besonders heftigen Charakter angenommen zu haben.
Wir wollen noch bemerken, daß die Lebensweise der Bevölkerung von Ording, die meistens aus Fischern und Arbeitern besteht, keineswegs ihrer Gesundheit günstig ist, sondern eher noch die Entwickelung von Tuberkelbazillen befördern könnte. Hier kommt zunächst ihr echt ländlicher Widerwille gegen die frische Luft in ihren Behausungen in betracht. Selten oder nie werden Fenster aufgemacht, und dann ebenso selten verläßt sie die unvermeidliche Pfeife im Hause. In dieser dumpfen, oft raucherfüllten Luft verbringen sie, zumal im Winter, einen großen Teil ihres Lebens, und selbst im Sommer ist die Luft nicht viel besser. Auch setzen sich die Fischer in Ording doch bei ihrer Beschäftigung, besonders im kalten, oft von Ostwinden heimgesuchten Frühjahre, zumal beim Störfange, vielfach Erkältungen aus. Außerdem ist ihre Nahrung keineswegs besonders kräftig, und oft noch wird den Spirituosen mehr als billig gehuldigt. Und unter diesen Verhältnissen, die anderswo geeignet sind, das Entstehen der Tuberkulose besonders zu begünstigen, dennoch diese fast absolute Immunität gegen Tuberkulose. Wie ganz anders würde diese reine, bazillenfeindliche, schöne Strandluft zur Geltung kommen unter Ausnutzung aller hygienischen Hilfsmittel d.er Gegenwart!
Welche Erfolge wohl würde ein Sanatorium für Lungenkranke, mit gleichen Hilfsmitteln ausgerüstet, wie die des Festlandes wie Görbersdorf, Falkenstein. St. Blasien u. a., unter sachgemäßer ärztlicher Leitung an passendem Orte der Nordsee erzielen! Was ist die Gebirgsluft mit ihrem geringen, schwankenden Feuchtigkeitsgehalte, mit ihren schroffen Differenzen der Tagestemperatur mit ihrer viel geringeren, Puls- und Atemzüge beschleunigenden Dichtigkeit, gegenüber der gleichmäßigem feuchten, salzgeschwängerten und dichten, Herz und Nervensystem beruhigenden Nordseeluft bei Lungenkrankheiten! Wenn es in jenen kontinentalen Kurorten im Herbste schon ganz unwirtlich ist, und die Kurgäste in künstlichem geheizten Wintergärten und Palmenhäusern sich ergehen müssen, können dieselben an der Nordsee noch immer sich der vollen Wirkung der, Lungenerkrankungen gegenüber fast allmächtigen, freien Strandluft aussetzen! Wann endlich wird das Publikum, wann viele dasselbe beratende Ärzte zu der Einsicht gelangen, daß wir in der Nordseeluft ein Mittel besitzen, welches, der Gebirgsluft weit überlegen, in mächtiger, eingreifender Wirkung das Gespenst der sich immer vermehrenden Tuberkulose am wirksamsten zu bannen imstande ist!
Wir sind gewiß, die Zeit wird kommen, wo sich auch an der Nordsee Sanatorien für Lungenkranke erheben werden, die durch den überraschenden Erfolg ihrer Wirksamkeit den ihrer Schwesteranstalten auf dem Kontinente bald überflügeln und schließlich verdrängen werden.
Auch Sanct-Peter und speziell Ording würde sich zur Anlage eines Sanatoriums für Lungenkranke eignen; ebenfalls Büsum weniger Kuxhaven. Sie sind zu Land zu erreichen, und dieses scheint mir für ein Sanatorium, welches das ganze Jahr geöffnet ist, absolut notwendig zu sein, da die Verbindung im Winter nicht gestört wird. Man denke nur an den frühen und heftigen Eintritt des Winters 1890/91, wo den Inselbewohnern der Nordsee durch rasches Zufrieren des Wattenmeeres fast die notwendigsten Mittel im Haushalte ausgingen und die Verbindung mit dem Festlande monatelang gänzlich unterbrochen war.
Ganz besonders auch würde sich Sanct-Peter, noch mehr vielleicht Ording, zur Errichtung eines Kinderhospizes eignen. Der völlig gefahrlose, prächtige, weite Strand, ohne Treppen und Untiefen, der verschieden starke Wellenschlag, die mit Heide und Tannen bewachsenen Dünen würden den herrlichsten und bei windiger Witterung geschütztesten Aufenthaltsort der Kinder abgeben. Hierzu kommt noch in Sanct-Peter, mit der reichen Marschlandschaft, den schönsten Fettweiden hinter sich, daß hier stets frische Milch, dieses für skrophulöse Kinder so wichtige Nahrungsmittel, in einer Güte zu beschaffen ist, wie nicht so leicht anderswo. Jedenfalls würde ein Kinderhospiz in Sanct-Peter-Ording an der offenen See viel wertvoller sein als in Kuxhaven und sogar in Wyk auf Föhr.
Wir trafen während unseres 1891er Aufenthaltes in Sanct-Peter einen Badegast aus Berlin, welcher im September 1890 in sehr desolatem Zustande angekommen, an Nervenschwäche infolge von Überarbeitung leidend, in Süderhöft, eine halbe Stunde vom Kirchdorfe Sanct-Peter, in dem dortigen, schon erwähnten, von Sanct-Peter Ausflüglern besuchten Hause vom Vormann Cl. Jacobs überwintert und ununterbrochen seit dieser Zeit sich hier aufgehalten. Man sah demselben von seiner früheren Krankheit nichts mehr an, er sah frisch und blühend aus, kam oft nach den Badehotels und legte den fast eineinhalbstündigen Weg von Süderhöft in einer Stunde ohne Anstrengung zurück. Derselbe konnte nicht genug des Lobes von dem schönen, milden Herbst und dem Winter m Sanct-Peter erzählen, welche ihm viel besser gefallen als der vorjährige Sommer, der allerdings, wie überall, besonders kalt und regnerisch war und aus welchen er» besondere Hoffnung gesetzt habe. Derselbe ging erst im Februar 1892 wieder in seine Heimat. Er schreibt uns: »Ich habe täglich längere Spaziergänge gemacht und bisweilen gebadet. Das Klima wirkte im großen und ganzen entschieden günstig auf meine Nerven. Jedoch stellten sich zeitweilig, besonders im Frühjahr 1891, Marschfieber-Erscheinungen ein. In dieser Hinsicht halte ich das Klima in Süderhöft für unzweifelhaft viel ungünstiger als dasjenige bei den Badehotels. Dieselben liegen viel geeigneter auf den doch recht ausgedehnten Dünenketten und haben außer dem ein weites Gebiet leichteren, sandigen Bodens im Rücken, so daß die eigentliche Marsch nirgends bis in ihre Nähe reicht.
Die Witterung im Herbst 1890 sowohl, wie 1891 war fast bis Weihnachten, abgesehen von vorübergehenden Regenperioden, sehr schön, milde, warmer Sonnenschein, und zugleich sehr erfrischend. Auch der Ostwind, der im Frühjahr sehr rauh ist, war mir im Herbst nicht unangenehm. Nach meiner unmaßgeblichen Ansicht ist Sanct-Peter entschieden recht empfehlenswert für »abgehetzte Großstädter,« welche eines mehrwöchentlichen Aufenthaltes in einer kräftigen, feuchten Luft bedürfen und zwar vorzüglich in den Monaten Juli bis womöglich Dezember; also auch gerade im Spätherbst, wenn bereits die deutschen Mittelgebirge ganz unwirtlich sind, aber allerdings unter der Voraussetzung, daß man ein heizbares Zimmer bewohnt. Ich begrüße mit Freuden jeden Versuch, eine deutsche »Sommerfrische« zu heben, denn ein solches Unternehmen liegt im allgemeinen öffentlichen Interesse. Wie viele Leute tragen nicht jeden Sommer ihr Geld nach der Schweiz oder Tyrol oder gar in ein niederländisches Bad, nur weil es halt mal Mode ist, während sie in manchem deutschen Orte mindestens dieselbe Erholung, bei einer viel kürzeren Reise und geringeren Kosten finden würden!«
Auch die Einheimischen von Sanct-Peter und Ording bezeugen allgemein den Herbst und auch den Winter dort als sehr milde; das offene Meer friert auch hier fast nie an der Küste zu, höchstens bildet sich in den Wasserlachen der Watten Treibeis welches dann, mit Wind und Flut an den Strand getrieben, sich dort oft in malerischer Art schichtweise auftürmt. Den großen Vorteil hat auch Sanct-Peter, daß man im Herbst und Winter dort äußerst billig lebt; wie der erwähnte Badegast meinte, billiger als zu Hause und jedenfalls erheblich billiger dort als in Wyk und Norderney) zu derselben Zeit. Außerdem wird man hier nicht wie auf den Inseln durch den Winter oft abgeschlossen, sondern bleibt mit der Außenwelt in steter Verbindung. Durch das reiche Hinterland mit seinen fetten Weiden wird man in den Stand gesetzt, auch im Winter ohne viel Kosten Fleisch, Milch, Butter, selbstfabrizierten Eiderstedter Käse, frische Eier und auch Wild in vorzüglicher Güte sich verschaffen zu können. Auch das offene, biedere, nicht übermäßig freundliche und nicht so sehr interessierte, echt friesische Wesen der dortigen Küstenbewohner berührt den Fremden sehr angenehm. Die dortigen, meist sehr wohlhabenden, auf ihren stattlichen Gehöften gleichsam residierenden Hofleute, die oft nicht wenig gebildet sind, sehen es gern, wenn derartige Gäste sie aufsuchen, da sie im Winter viel Zeit übrig haben, und lassen dieselben auch wohl bei längerer Bekanntschaft an ihren geselligen Unterhaltungen teilnehmen. Wir können daher Sanct-Peter auch als Herbst- resp. Winteraufenthalt denjenigen empfehlen, welche an chronischen Lungen und Nervenerkrankungen leiden und einen ruhigen, stillen, billigen Aufenthalt wünschen. Dann erst wird sich zu ihrer freudigen Überraschung die gewaltige Heilkraft des Nordseebades auch bei ihnen bewähren! Gleich wirksam wie bei den skrophulösen und tuberkulösen Erkrankungen und in vieler Beziehung allmächtig erweist sich das Nordseebad in Verbindung mit warmen Seebädern (ausnahmsweise auch mit kalten) gegen das nicht minder große Heer der nervösen Krankheiten, welche man unter dem Namen der Nervenschwäche, der Neurahstesie begreift. Besonders ist hier Sanct-Peter zu empfehlen wegen der Abwesenheit des Trubels des modernen Badelebens und der Gelegenheit zu schönen und langen Strandpromenaden an dem schönen, ebenen, festen Strande, der der Stolz Sanct-Peters ist. Den viel gequälten Nerven wird hier endlich Ruhe gegönnt, und die Erfolge sind daher auch, wie ich mich in Sanct-Peter überzeugt habe, wahrhaft glänzende. Viele finden Heilung, die, wenn auch nicht fürs Leben, so doch monatelang über die Kurzeit hinaus sich geltend macht, alle Besserung ihres hartnäckigen Leidens, welches ihnen die Lebensfreude raubt. Solche Kranke sollten, sofern ihr Beruf ihnen dies gestattet, ihren Aufenthalt an der Nordsee möglichst lange, wenn nötig, bis gegen Weihnachten und den ganzen Winter hindurch ausdehnen. Der Erfolg wird nicht ausbleiben, um so mehr, als man dadurch auch gezwungen wird, einmal den aufreibenden geselligen und sinnlichen Genüssen der Großstadt während einer Saison fern zu bleiben, welches sonst so leicht nicht geschieht. Wer sollte sich nicht zu diesem Opfer entschließen, wenn es das wertvollste Gut, die Gesundheit, gilt und der Erfolg ein fast absolut sicherer ist!
Eine fast spezifische Wirkung äußert ferner das Nordseeluftbad (mit warmen Seebädern) bei den Genesenden von Erkrankungen des Rippenfells, auch wenn noch Exsudate und leichtes Fieber (bis 38,2) vorhanden ist. Ich habe mich hiervon in Sanct-Peter durch Erfahrung in eigener Familie auf das Unzweideutigste überzeugt und bin wahrhaft erstaunt gewesen über, die prompte und wahrhaft glänzende Leistung des Nordseebades. Der Umstand, daß in Sanct-Peter zum Badestrand nirgends Treppen oder Anhöhen zu ersteigen sind, ist neben der Ruhe diesen Kranken besonders angenehm. Die betreffende Patientin, durch eine Rippenfellentzündung auf tuberkulöser Basis aufs äußerste heruntergekommen, kam mit Abendtemperaturen von 38,2 und fast appetitlos in Sanct-Peter an und mußte in den ersten acht Tagen zu dem kaum fünf Minuten entfernten Strande gefahren werden. Badegäste und selbst Kollegen betrachteten vor der Abreise kopfschüttelnd dies anscheinende Wagnis. Nach wenigen Tagen war die Patientin ohne Fieber, der Appetit stellte sich sogleich ein, nach acht Tagen machte dieselbe schon Strandspaziergänge nach dem eine halbe Stunde entfernten Ording, und nach Verlauf von vier Wochen war keine Spur der überstandenen Rippenfellentzündung mehr nachzuweisen. Ich bin fest davon überzeugt, daß kein anderes Bad wie eben ein Nordseebad dies Kunststück fertig gebracht, und ich bin hierdurch zuerst auf den eminenten Wert der Nordseebäder aufmerksam geworden, zu dessen Lobe sich seitdem immer mehr gewichtige Stimmen vereinigt haben.
Ebenso wirksam erweist sich nach meinen Erfahrungen das Nordseebad (mit warmen Seebädern, ausnahmsweise mit kalten) bei den verschiedenen Formen der Bluterkrankungen (Blutarmut, Bleichsucht 2c.), die meist das Produkt unserer verfeinerten, gesundheitsfeindlichem den sinnlichen Genüssen ergebenen Lebensweise und der anstrengenden Berufsthätigkeit bei andauernd sitzender Lebensweise in überheißen, schlecht ventilierten Räumen sind. Hierdurch wird die Kraft der blutbildenden Organe geschwächt und dadurch ein qualitativ und quantitativ minderwertiges Blut bereitet, welches seinerseits wieder die Kraft der Verdauungsorgane herabsetzt und so immer zunehmend das Blut noch mehr verschlechtert. Auch hier wirkt das Seeluftbad mächtig eingreifend in die erschlaffende Thätigkeit dieser wichtigen Körperfunktionen und mit dem an der See rasch erstarkenden Appetit in der ozonreichen, feuchten Seeluft wird auch die erneute Thätigkeit der blutbildenden Organe angeregt. Solche Kranke müssen sich vorzugsweise in warme Wollstoffe kleiden, um zu großen Wärmeverlust durch die Haut zu hindern, dann sich aber möglichst oft und möglichst lange, wenn die Witterung nicht gar zu unfreundlich ist, der Strandluft aussetzen. Das kalte Seebad wird bei denselben selten gut vertragen, da das Reaktionsvermögen derselben schwach, desto besser die warmen Seebäder, die, jeden zweiten oder dritten Tag wiederholt, eine vorzügliche Wirkung üben. Was ist gegen eine solche Seekur Eisen, welches die Zähne und den Magen verdirbt, und Eisenbäder, bei welchen nichts vom Eisen durch die Haut resorbiert wird! Bei der Blutarmut thut es nicht das Eisen, welches genugsam in der Nahrung vorhanden ist, aber wegen der Verdauungsschwäche nicht zur Geltung kommt, sondern die Seeluft, die den Appetit und Stoffwechsel im Körper mächtig anregt. Daß derartigen Kranken, die keine Aufregung vertragen und schlecht Treppen steigen können, das ruhige Sanct-Peter mit seinem schönen, leicht zugänglichen Strande besonders zu empfehlen ist, können wir, auf eigene Erfahrung gestützt, versichern. Ebenso vermag bei von schwerer Krankheit oder Operationen Genesenden keine andere Kur die Gesundheit so rasch und so prompt wieder herzustellen, wie die, Seeluftkur, mit warmen Seebädern verbunden, wie wir uns in Sanct-Peter bei einigen eklatanten Fällen zu überzeugen Gelegenheit hatten. Auch solche Kranke gehören nicht in ein aufregendes Modebad, sondern vielmehr in das stille Sanct-Peter oder das noch stillere Ording.
Ich muß noch bemerken, daß ich, entgegen der Ansicht, die in vielen Badeschriften vertreten wird, der Anschauung huldige, daß Magenkranke, mit Ausnahme der Krebsgeschwülste, nicht nur die Nordseebäder nicht schlecht vertragen, sondern außerordentlich in denselben gedeihen, vorausgesetzt, daß dieselben ein vernünftiges Regime innehalten. Den Mißerfolg verschulden die Leute meist selbst. Sie meinen, wenn sie im Seebade sind, können sie alles essen und trinken, und da der Appetit vorhanden, geschieht oft des Guten zu viel. Es ist dies eine sehr verderbenbringende Ansicht. Die Diät, welche zu Hause am besten vertragen wurde, muß beibehalten werden und kann, dem gesteigerten Nahrungsbedürfnis gemäß, allmählich nur in der Menge etwas gesteigert werden. Die kalten Seebäder werden meist von diesen Kranken außerordentlich schlecht vertragen. Nicht zu oft wiederholte und nicht zu heiße, warme Seebäder sind hier das beste. Auch darf die körperliche Bewegung nur ganz allmählich gesteigert werden. Das ruhige, beschauliche Leben, hingestreckt im weichen Dünensande, thut auch diesen Leidenden sehr wohl, und werden bei einem solchen Verhalten ungemein gute Resultate erzielt. Freilich müßten die Wirte den Wünschen solcher Kranken möglichst entgegenkommen und auch in dieser Beziehung wird Sanct-Peter allen vernünftigen Forderungen gerecht.
Gewöhnlich wird Herzkranken der Aufenthalt an der Nordsee widerraten. Dies ist nach meinem Dafürhalten entschieden unrichtig. Die erhöhte Ozon- und Sauerstoffaufnahme der chemisch reinen und bakterienfreien, feuchten Seeluft ist bei den Klappenfehlern und der Herzverfettung besonders geeignet, die durch die mangelhafte Zirkulation des Blutes bewirkte Kohlensäureansammlung und Sauerstoffabnahme desselben auszugleichen, hierdurch eine bessere Blutbeschaffenheit und dadurch Hebung des Allgemeinbefindens zu bewirken, wenn schon der Klappenfehler bestehen bleibt und die Herzverfettung nur wenig sich zurückbildet. Leute mit organischem Herzfehler dürfen allerdings nicht kalt baden, eher warm. Die Hauptsache bleibt aber hier Genuß der Seeluft, bei geringerer oder mäßiger Bewegung, kein aufregendes Seebad, keine oder doch nur wenig Spirituosen (Moselwein mit Selters vermischt), beschauliches Leben am Strande. Eine geringe Herzverfettung dagegen kontraindiziert das kalte Baden keineswegs und ist eher, da hierdurch der Herzmuskel gestärkt wird, bei einiger Vorsicht, entschieden nützlich. Auch hier gebührt der Empfehlung Sanct-Peters, als einem Bade ohne Aufregungen, besonders gedacht zu werden.
Entschieden dagegen von dem Besuch eines Seebades abraten müssen wir den Nieren und Blasenleidenden. Sie befinden sich erfahrungsgemäß im Seebade nicht besonders wohl, was leicht erklärlich, wenn man bedenkt, wie äußerst empfindlich derartige Kranke gegen plötzliche Abkühlungen der Haut sind, und daß diese allerdings im Nordseebade nicht immer zu vermeiden sind.
Dieses sind die Hauptgesichtspunkte, die bei der Wahl eines Nordseebades in betracht kommen und immerhin als Richtschnur den Laien dienen können. Wer sich des Genaueren unterrichten will, den verweisen wir auf das sehr lesenswerte Buch von Fromm »Bedeutung und Gebrauchsweise der Seebäder in chronischen Krankheiten« 1889.
Baderegeln
Obschon jeder Nachdenkende aus dem eben Dargelegten sich sein Kurverhalten, für seine Konstitution passend, ableiten könnte, wollen wir zum Schlusse doch die, durch vielfache Erfahrung sanktionierten wichtigsten Baderegeln des Nordseebades, mit spezieller Berücksichtigung Sanct-Peters, noch einmal übersichtlich zusammenzustellen. Wir halten dies für um so notwendiger, als wir uns durch Erfahrung überzeugt haben, wie sehr oft gegen die elementarsten Baderegeln gefehlt wird.
Eine Sache, die jeder eigentlich schon zu Hause regeln sollte, betrifft die Kleidung. Fast jedesmal passiert es in Sanct-Peter, daß Neuankommende, die noch nicht dort waren, sogleich nach Hause schreiben, ihnen das alte Zeug und die Schmierstiefel, die sie zu Hause gelassen, nachzusenden. Sanct-Peter ist eben kein Modebad, und jeder geht dort nach seiner Bequemlichkeit, ohne Aufsehen zu erregen. Die Herren sollten sich mitnehmen: ein Paar wasserdichte, doppelsohlige hohe Schaftstiefel aus Schmierleder, über oder unter der Hose zu tragen. Ferner gutes Wollunterzeug, am besten Jägersches, und eine wetterfeste, nicht zu dünne Lodenjoppe und einen dergl. Filzhut, last not least, einen Regenmantel von porös wasserdicht präpariertem Zeug, wie man dies z. B. bei Falkenburg in Magdeburg und Jacob in Dinslaken bekommt, keine Gummiröcke, die an der See zu heiß sind und die vorteilhafte Hautventilation hindern. Sehr bewährt hat sich mir ein solcher Überrock von Mey & Edlich, aus wasserdichtem Jagdleinen, der mir auf meinen Segeltouren und Seehundsjagden die vorzüglichsten Dienste leistete und weder Seewasser noch Regen durchließ. - Die Damen sollten sich versehen mit einem Paar doppelsohligen wasserdichten Schnürschuhen, (keine Stiefeletten), aus Rindsleder, die jeden Abend, ebenso wie die Herrenstiefel, mit amerikanischer Vaseline eingerieben werden, ferner gutes Wollunterzeug, eine Flanelluntertaille und ein gutes, wetterfestes, nicht zu dünnes, enganschließendes Jackett (Mäntel sind des Windes wegen nicht praktisch und hindern das Gehen sehr) und gleichfalls einen guten, nicht zu dünnen Regenmantel (ohne Flügel und Schulterkragen mit einfachen Ärmeln) von wasserdichtem Zeug, nicht von Gummi. Regenschirme sind an der See nicht zu brauchen, einesteils des Windes wegen, dann aber auch rosten die Stahlrippen in der feuchten Seeluft in kurzer Zeit durch. Ebenso sind Gummischuhe unpraktisch und entbehrlich. Die Damenhüte sind an der See bei Wind nicht zu brauchen; man trägt dann die, auch in Sanct-Peter erhältlichen, Flanellstrandmützen oder noch besser die anschließenden, nicht so viel Wind saugenden, gestrickten Wollmützen. So ausgerüstet wird man allen Unbilden des Seeklimas trotzen können und im Stande sein, seine Kurzeit gehörig auszunutzen, indem man sich so unabhängig vom Wetter macht.
Den im Seebade Ankommenden wollen wir noch einige Ratschläge betreffs der einzuhaltenden Diät geben. Sonderbarerweise scheinen die meisten Badegäste zu glauben, im Seebade könne man essen, was und so viel einem behagt und alles vertragen, während in den Binnenlandsbädern meist die Einhaltung einer genauen Diät eine große Rolle spielt, welchem Umstande diese einen großen Teil ihrer Erfolge verdanken. Es ist dies eine höchst verderbliche und den Ruf der Nordseesbäder schädigende Anschauung, wenn schon nicht geleugnet werden soll, daß man an der See qualitativ und quantitativ, wegen rascheren Stoffwechsels, etwas mehr als auf dem Festlande vertragen kann. Allein dies sollte einen jeden abhalten, des Guten zu viel zu thun; ungestraft wird er sich auch an der See dem nicht aussetzen. Wir haben sehr oft beobachtet, daß gerade in Sanct-Peter manche zu Anfang von ruhrartigen Durchfällen befallen werden, die zuweilen ziemlich heftig auftreten und die Kurerfolge beeinträchtigen. Sie werden gewöhnlich dem veränderten Klima zugeschrieben, dies ist jedoch nicht der Fall. Sie sind lediglich Folge von Erkältungen auf der Herreise und der Indigestion, die man sich durch zu viel Essen, des an bürgerliche Kost gewöhnten Magens zuzieht. Gerade in den ersten Tagen, nach den Anstrengungen der Reise, sollte man besonders vor sichtig hierin fein und vorzüglich die dem Binnenländer ungewohnten Fische, wie Hammer, Krebse und Krabben meiden. Hat man sich diese ruhrartigen Durchfälle nun einmal zugezogen, so ist das souveräne Mittel: Bittersalz, einen Eßlöffel voll in heißem Wasser mit Zitronensaft. Gewöhnlich genügt einer, rechtzeitig genommen, seltener sind zwei bis drei erforderlich. Die Wirkung ist, so sonderbar dies dem Laien klingt, stets sehr prompt. Die im Magen und Darm unverdauten und in Gährung übergehenden Speisereste, die durch ihren Reiz auf die Schleimhaut diese kolikartigen Schmerzen mit dem schleimigen Durchfall verursachen, werden entfernt und damit die Ursache der Erkrankung. Opiumtropfen sind hier schädlich und helfen nicht im geringsten. Erwähnen will ich noch, daß man in Sanct-Peter kein Wasser trinken soll, sondern Selters, ab und zu mit leichtem Mosel oder Rheinwein gemischt. Rotwein ist nicht so sehr zu empfehlen, weil später oft Verstopfung an der See eintritt.
Jedem an der See Ankommenden drängt sich zunächst die Frage auf: »soll ich kalt baden oder nicht?« Diese Frage wird sich, wer das soeben Erörterte aufmerksam gelesen, jeder selbst beantworten können. Ist man dennoch zweifelhaft, so mache man einen Versuch in folgender Weise: Nachdem man mehrere Tage sich von den Anstrengungen der Reise erholt und sich an das Nordseeklima gewöhnt hat, beginne man mit einem Spätnachmittagsbade an einem möglichst sonnigen Tage und bleibe höchstens zwei Minuten darin. Wenn das Reaktionsstadium, das Gefühl der vermehrten Hautwärme und des Wohlbehagens dann prompt eintritt und man sich tagsüber nicht matt und abgespannt fühlt, kann man das Baden fortsetzen »es hat angeschlagen.« Fühlt man sich dagegen noch längere Zeit frostig, des tagsüber unbehaglich und abgespannt, dann besitzt der Körper nicht, oder noch nicht die Spannkraft zur Hervorrufung des Reaktionsstadiums, und das kalte Baden muß vorläufig ausgesetzt werden, um vielleicht nach einigen Tagen, unter gleich günstigen Verhältnissen, wiederholt zu werden. Wenn dann dieser Versuch gleich ungünstig ausfällt, sei man überzeugt, daß das kalte Seebad nicht vertragen wird. Man nehme dann warme Seebäder oder beschränke sich lediglich auf die Seeluftkur, und man wird sich wohl dabei befinden. Überhaupt halten wir das uneingeschränkte tägliche kalte Seebad, selbst für sonst gesunde und reaktionsfähige Personen, keineswegs für besonders fördersam. Man sollte sich zunächst die sonnigsten Tage aussuchen und die frühen Morgenbäder, da sie am kältesten sind, lieber meiden. Ebenso thut man besser, sehr unfreundliche, stürmische, regnerische Tage ganz zu überschlagen, wenn man sich nicht einer besonders robusten Gesundheit erfreut. Es gilt ferner als allgemeine Regel, nicht über zwanzig Bäder zu nehmen, ob mit Recht, lassen wir dahingestellt sein. Aber auch wir huldigen mit den meisten Badeärzten in bezug auf das kalte Seebad dem Grundsatze »Lieber zu wenig, als zu viel.« - Kinder unter sechs Jahren und Greise sollten, da sie des nötigen Reaktionsvermögens entbehren, überhaupt nicht baden.
Sehr wichtig ist es, die Technik des einzelnen Seebades zu besprechen, wogegen von den meisten Badegästen leider erheblich gefehlt wird, und welchem Umstande vorzugsweise der mangelhafte Erfolg zuzuschreiben ist. Man bade möglichst immer vor den Hauptmahlzeiten, frühestens drei Stunden nach dem Mittagsessen, keine Spirituosen, keine erhitzende Bewegung vor dem Bade. Sehr wichtig ist die Frage nach der Dauer des Einzelbades. Man hat hier die verschiedensten Lehren gegeben. Der Engländer sagt: »three dips and then out,« »dreimal untertauchen und dann heraus,« oder man sagt, nicht länger als zwei bis fünf Minuten. Wir sagen, die Dauer des Seebades richtet sich in erster Instanz nach der Wärme des Wassers, welche kongruent der Wärme der Luft geht. Im Juli und meist auch noch im August ist das Wasser am wärmsten und betreffs der Tageszeit, wie wir gesehen haben, kurz vor Sonnenuntergang. Jeder Badende sollte daher sein eigenes Badethermometer haben und vor dem Bade von der Karte aus die Wassertemperatur messen. Je höher sie ist, desto länger kann er sich im Bade ergehen. Unter 15° R sollten Kinder, schwächliche und ältere Personen überhaupt nicht baden, und selbst kräftigere das Bad nicht über drei Minuten ausdehnen. Bei 15° - 17° (in Sanct-Peter sind diese im Juli und August, selbst noch in der ersten Hälfte des Septembers nachmittags fast die» Regel) kann man bis fünf Minuten im Wasser sein. Über 17° - 20°, wie solche Temperaturen in der Hochsaison und selbst noch Anfang September in Sanct-Peter keineswegs so selten vorkommen, kann alles baden, was überhaupt das kalte Bad verträgt, und kräftigere Naturen können dieses, wenn sie sich wohl dabei befinden, bis zu zehn Minuten ausdehnen. Länger sollte man überhaupt nie ein Nordseebad, selbst bei dem wärmsten Wasser, ausdehnen. Man beachte noch in Sanct-Peter, daß man sich hierbei nicht zu weit von der Badekarre, der See zu, entfernt, da das Wasser bei ruhigem Wetter, wie man bald merken wird, sich erheblich abkühlt.
Da in Sanct-Peter die Herren- und Damenkarren nicht allzuweit von einander entfernt sind, so müssen die Damen leider Badekostüme tragen, welches die volle Wirkung des Seebades erheblich abschwächt. Entgegen dem Ratschlag von Fromm, raten wir entschieden nicht zu leinenen, sondern zu rein wollenen, aber ganz dünnen und möglichst porösen Stoffen und am besten ganz einfarbig und zwar naturfarbig, da die meisten bunten im Seebade abfärben. Das Seewasser durchdringt diese Art Wollstoffe viel leichter und schneller, als die leinenen, und sie verursachen, da sich dieselben auch viel besser anschmiegen, ein viel angenehmeres, weniger kaltes Gefühl auf der Haut, als die leinenen. Die beliebten Wachstuchhauben der Damen sind entschieden zu verwerfen als schädlich und auch völlig entbehrlich. Obschon wir ein entschiedener Anhänger der jetzt vielfach aufkommenden englischen Mode sind, ohne jegliche Kopfbedeckung in der See zu baden und das gut abgetrocknete, aufgelöste Haar am Strande völlig trocknen zu lassen, so werden sich unsere deutschen Damen doch schwerlich hierzu verstehen. Dann raten wir, Hauben aus poröswasserdichtem, weißem Leinen zu tragen. Diese halten dem Seewasser fast völlig, wenigstens während einer Badesaison, stand, und wenn auch einige Tropfen durchdringen, so ist das kein Unglück und weniger schädlich, wie die die Luft völlig abschließenden Wachstuchkappen. Es sei bemerkt, daß der Badewirt Matthiesen in Sanct-Peter Badeanzüge und Hauben, nach unserer Angabe angefertigt, vorrätig hält.
Man entkleide sich langsam in den Badekarren, etwaige Schweiße müssen erst trocken mit dem Handtuch abgerieben werden; dann benetze man, auf der Badetreppe stehend, sich Gesicht, Brust und Hals und lasse sich rückwärts in das seichte Wasser mit kräftigem Abstoße fallen. Die Schwimmer können schwimmen, möglichst auf dem Rücken die Nichtschwimmer sollen sich stets bis auf den Kopf unter Wasser halten und nicht, wie die meisten es fälschlich thun, in dem seichten Wasser spazierengehender Weise den Oberkörper der Seeluft ausgesetzt bewegen. Da der Strand in Sanct-Peter ein vorzüglicher und ohne Schlick und Steine ist, so ist dies sehr gut möglich. Ebenso soll man beim Zurückgehen in die Karre sich bis auf den Kopf stets unter Wasser halten. Man kriecht eben auf allen Vieren wie die Krebse, welches auf dem erwärmten weichen Sande keineswegs unangenehm ist. Diese kleine Mühe wird sich durch die dann viel bessere Bekömmlichkeit des Seebades reichlich lohnen. Die Badefrequenz anfänglich nur 200 - 300, betrug in den letzten Jahren schon 600, und viele·noch mußten wegen mangelnden Quartiers in der Hochsaison, in welcher sich eben, der Schulferien wegen, fast alles zusammendrängt, abgewiesen werden. Die Zahl der Badegäste Sanct-Peters aber wird langsam und stetig steigen und der Zufluchtsort aller wirklich Erholungsbedürftigen bleiben, die hier, im Anblicke einer erhabenen Natur, in stiller, seeumspülter Dünenlandschaft dieses alten Friesenlandes ihre Gesundheit erstarken fühlen, um neugekräftigt in die Mühen des Lebens eintreten zu können. Möge Sanct-Peter auch ferner vom Geräusch des modernen Badelebens verschont bleiben, damit seinen vielen Naturvorteilen seine friedliche Einsamkeit als Schönstes nicht verloren gehet.
Temperaturtabellen
von
Ording
Bemerkungen zu den Temperaturtabellen
Die vorstehenden Temperaturmessungen in Ording sind, wie schon erwähnt, von dem Vormann Peter Fedders dortselbst gemacht und sehr genau und gewissenhaft aufgenommen, so daß selbst die halben Grade mit angegeben sind. Die Morgentemperaturen von Hamburg und Sylt, sowie die Windrichtung und Wetterbezeichnungen sind den Veröffentlichungen der Hamburger Seewarte entnommen. Die Nachmittags- und Abendtemperaturen habe ich selbst hier gemacht, welche Messungen sich wohl, an einem Orte gut eine Stunde von Hamburg entfernt, mit denen des letzteren decken.
Obschon Hamburg noch völlig unter dem Einflusse des Seeklimas steht, fallen doch sogleich die größeren Differenzen der Tagestemperatur und die größeren Unterschiede der Wärmegrade an den einzelnen Tagen, Ording gegenüber, sogleich in die Augen. Besonders auffallend sind die noch verhältnismäßig hohen und gleichmäßigen Temperaturen im Dezember, wo nur an einzelnen Tagen (17·, 18., 24., 25.) dieselben um ein Geringes (durchschnittlich 1°, nur einmal morgens, den 24., 4°) unter Null heruntergingen, während in Hamburg vom 17. bis 27. die Temperatur stets unter Null (meist 2, 3, 4, auch 5°) war. Die einzelnen dreimaligen, täglichen Kältegrade im Dezember betrugen zusammen: in Hamburg 74°, in Ording nur 10°! Die Windrichtung an letzterem Orte war im Dezember nur zweimal eine östliche, und zwar Nordost, trotzdem stieg die Kälte hier nicht über -1, da auch dieser Wind in Ording noch Seewind ist. In Hamburg hatten wir im Dezember sechsmal östliche Winde.
Auch im Januar war in Ording nur eine kurze Frostperiode vom 14. bis 22. (nur am 9. und 10. sank die Temperatur vereinzelt 0,5 bis 1,5 unter Null), während dieselbe in Hamburg schon am 8. begann, am 12. und 13. schon bis auf -4, -6 und -8°stieg (an welchen Tagen dieselbe in Ording noch 1 bis 3° über Null lag) und bis zum 23. anhielt. Auch betrugen die dreimal täglichen Temperaturgrade vom 14. bis 22. Januar in Ording zusammen noch 10° weniger, als im gleichen Zeitraume in Hamburg. Die einzelnen Kältegrade (dreimal täglich gemessen) waren im Januar in Hamburg zusammen 211°, in Ording nur 164°. Auch im Februar betrugen diese in letzterem Orte nur 46°, gegenüber 84° in Hamburg. Besonders lehrreich sind der 17., 18. und 19. Februar, hier war in Hamburg die Temperatur morgens -10°, -7°, und -7°, in Ording nur -6°, -4°, -3°.
Im Vergleich zu Sylt, soweit sich dies aus den alleinigen Morgentemperaturen beurteilen lässt, erhellt aus den Tabellen, daß dieselben sich mit denen von Ording im großen und ganzen decken, daß also die Küste von Sanct-Peter schon Inselklima besetzt.
OCR-Scan der Originalausgabe von 1895
Digitalisiert und layoutet von Frauke Petersen:
www.watt-meer.de
der Bauernhof unserer Familie um 1900, die Zeit, die auch in diesem Buch 'Nordseebad Sanct-Peter und Ording' beschrieben wird.