Strand-Geschichten eines Schreibwettbewerbs der TAZ - veröffentlicht auf Ferienwohnungen watt-meer.de

Mein Strand

Exklusiv für Herren
von HANNS AUMUELLER (7. Preis)

Nix da, sie mögen uns noch so sehr vorschwärmen von den Stränden in aller Welt, von Phuket bis Martinique, von Sylt bis Apulien - mein Strand, mein Traumstrand ist und bleibt der exklusivste, unzugänglichste und unbekannteste.

Nur gezählte 900 Personen, ausschließlich Männer, haben Zutritt, und dabei täglich nur eine Stunde. Sie sind handverlesen und wurden aus Tausenden von Bewerbern akribisch ausgesiebt. Dabei ist es andererseits wiederum gar nicht so schwer, in diesen exklusiven Zirkel aufgenommen zu werden. Allerdings helfen weder Geld noch gute Worte, eher das Gegenteil, auch VIP-Status oder gar ein politisches Amt erleichtern den Zutritt grundsätzlich kaum, erschweren ihn eher.

Nicht dass mein Strand besonders schön oder gar romantisch wäre, weit gefehlt, ich muss sogar gestehen, er ist eher trist zu nennen. Er besteht aus Betonplatten mit ein paar verkümmerten Moosresten dazwischen, mit Zigarettenkippen garniert, kein Grashalm unterbricht die Monotonie, er ist auch nicht wirklich luxuriös zu nennen, es gibt keine Drinks, es sei denn, man bringt sie sich selbst mit, keine Imibssbude, nicht einmal Sonnenschirme. Hüte und Sonnenbrillen sind strengstens verpönt. Er ist umgeben von vierstöckigen, grau gestrichenen Gebäuden, und das Anziehendste an meinem Traumstrand ist der Pool, fünfundzwanzig mal fünfzehn Meter blau schimmerndes Wasser, in dem die meist kurz geschorenen Köpfe der Schwimmer ihre Bahnen ziehen.

Aber es ist ein wahrhafter Traumstrand, vor allem deswegen, weil die Mitglieder des Strandklubs Tag und Nacht davon träumen, möglichst schnell wieder davon wegzukommen, koste es, was es wolle. Es gefällt ihnen hier nicht, obgleich er einzigartig ist. Oder vielleicht gerade deswegen. Mögen andere Strände frequentiert sein von hedonistischen Leibern, deren wichtigstes Ziel darin liegt, sich aneinander anzunähern, so ist mein Strand eher geprägt von Individuen, die eine institutionalisierte Distanziertheit voneinander suchen und ausdrücken. Keine zarten Flirts, keine verräterischen Augenkontakte, kein sehnsuchtsvolles Lächeln. Nichts davon existiert hier, lässt man die seltenen, hoffnungsvoll auffordernden Blicke außer Acht, welche ein paar weniger männliche Männer, die sich aber ganz besonders männlich zu geben versuchen, den sportgestählten, muskelbepackten und oftmals über und über tätowierten Bodybuildingkörpern heimlich zuwerfen, die am Rand des Beckens lagern oder sich an der Reckstange fit halten. Die Rituale, die anderswo die Regel sind, funktionieren hier nur eingeschränkt.

An meinem Strand gibt es, bis auf eine oder zwei zufällige, sozusagen amtliche Ausnahmen, keine Frauen, es gibt auch keine Kinder. Dies ist, so meinen die meisten Klubmitglieder, zumindest soweit es die Kinder betrifft, die ja an anderen Stränden, und nicht nur dort, laut und lästig sein können, durchaus angenehm, hingegen sie gegen die Anwesenheit von weiblichen Badegästen mitnichten etwas einzuwänden hätten. Andere Strandgäste sehen das genau andersherum, aber die sind nicht sonderlich beliebt.

Jedenfalls liegt es wohl auch an der Abwesenheit von Frauen und Kindern, dass sich sehr schnell und heftig das Gefühl einschleicht, als hätte unser Traumstrand mit dem wirklichen Leben nichts gemein, obwohl ich andererseits zugeben muss, dass gerade deren Abwesenheit wohl entscheidend zu einem friedlichen Zusammenleben der ausgesprochen multikulturellen Strandtruppe beiträgt. Ja, unser Strand ist international, wobei durchaus ein starkes Übergewicht des "neuen Europa" vorherrscht. Womit das zusammenhängen mag? Vielleicht, aber das ist nur meine Vermutung, mit der konsequenten Anwendung der sozusagen militanteren Methoden der Neuen Welt im, nennen wir es ruhig so, Geschäftsleben, ganz ähnlich der Vorgehensweise der derzeitigen US-Regierung: Fire and forget.

Aber ich will jetzt nicht noch weiter von meinem Strand abschweifen. Zur relaxten Atmosphäre trägt sicher auch die Anwesenheit der Baywatchtruppe bei, mindestens zwei Augenpaare stark, die ihre wachsamen Blicke unablässig über den Strand schweifen lässt. Ihr allerdings nur bedingt fernsehserienmäßiges Outfit, bestehend aus einer fliegenscheißefarbenen Hose und einem nur wenig attraktiveren Hemd, geschmückt mit dem Logo einer ausschließlich regionalen und eher uncoolen Marke, passt sich der Umgebung nahtlos an, trägt jedoch nur unwesentlich zur Stimmung unter den Klubmitgliedern bei. Vielleicht liegt es auch daran, dass nur selten mehr als ein Viertel der Zutrittsberechtigten den Strand überhaupt jemals zum Baden aufsucht, der Rest zieht es vor, ihn nur gelegentlich und geringschätzigen Blickes zu umrunden, auf einem ihrer kurzen Spaziergänge am späten Nachmittag, zwischen vier und fünf, nach getaner Arbeit.

Sie sind jetzt neugierig geworden, erwägen vielleicht sogar, Mitglied zu werden in unserem exklusiven Strandklub?

Wie bereits gesagt, das ist einfach und schwer zugleich. Und seien Sie gewarnt, die mindeste Mitgliedschaft beläuft sich auf rund sechs Jahre, für manche dauert sie viel länger. Wie Sie zu uns kommen, an den Traumstrand? Ganz simpel: Sie begehen ein Verbrechen, mindestens schwerer Raub wäre empfehlenswert, sollten Sie sich gar zu einem Mord entschließen können, so garantiert ihnen das möglicherweise sogar die renommierte lebenslängliche Mitgliedschaft in unserem Traumstrandklub, dem exklusivsten Deutschlands, im Knast von Straubing.


HANNS AUMUELLER, 54, war 25 Jahre Geschäftsführer in Verlag und Werbeagentur, dann Bankraub. Schreibt seit der Inhaftierung Kurzgeschichten.

27.9.2003 taz Reise 193 Zeilen, HANNS AUMUELLER S. 20-21

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(Herzlichen Dank der TAZ, dass wir die Strand-Geschichten des Sommer-Schreibwettbewerbs 2003 hier auf watt-meer.de veröffentlichen dürfen.)


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